Der Klimaschutz muss offenbar warten. Erlebt der Brennstoff Kohle eine Renaissance? Ein Beispiel aus Deutschland.
Das 1965 in Betrieb genommene Kraftwerk Staudinger in der Nähe von Frankfurt ist heute das größte konventionelle Kraftwerk im Bundesland Hessen. Die vor allem mit Steinkohle befeuerte Anlage des Energieversorgers UNIPER besteht aus fünf Kraftwerksblöcken. Die Blöcke 2 und 3 wurden 2012 stillgelegt, Block 1 folgte 2013. Der mit fossilem Gas betriebene Block 4 wird heute zur Netzstabilisierung und als Reservekapazität vorgehalten. Nur der mit (viel) Steinkohle und (wenig) Klärschlamm befeuerte Block 5 mit einer Leistung von 500 MWh befindet sich im Regelbetrieb. Schon im Oktober beantragte der Betreiber UNIPER aufgrund der schlechten finanziellen Situation der Anlage die Abschaltung des ganzen Kraftwerks in den Sommermonaten. UNIPER galt ursprünglich als „Resterampe“ des EON-Konzerns, auf der alle Anlagen, die nicht zur „Energiewende“ passten, „geparkt“ wurden. 2019 sicherte sich dann das finnische Unternehmen Fortum die Mehrheit an UNIPER.
Am 21. Dezember 2021 teilte UNIPER mit, dass Block 5 am 21. Mai 2023 die Stromproduktion einstellen und stillgelegt wird. Uniper hatte schon im Januar 2020 einen Stilllegungsplan für die Steinkohlekraftwerke in Deutschland vorgelegt. Durch diesen sollen CO2-Einsparungen in einer Größenordnung von bis zu rund 18 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr erzielt werden. Darin ist vorgesehen, bis spätestens Ende 2025 Steinkohle-Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von rund 2.900 MWh abzuschalten.
Ob es dazu wirklich kommen wird, ist mehr als fraglich. Da die deutschen Erdgasspeicher bis zum 1. November zu 90 Prozent gefüllt sein sollen und russisches Gas immer spärlicher fließt, will Deutschland – wie auch Österreich, Italien und Holland – Kohlekraftwerke einsetzen. So sollen in Deutschland neun Steinkohlekraftwerke aus der Netzreserve und drei – besonders klimaschädliche – Braunkohlekraftwerke wieder Strom erzeugen. 2021 verbrannte ENEL in seinen Kraftwerken vier Millionen Tonnen Steinkohle. 2022 werden es acht Millionen Tonnen sein. 2016 arbeiteten in Italien 12 Kohlekraftwerke. Im März 2022 waren es sieben – und fünf davon gehören dem ENEL. Die Rückkehr des Brennstoff Kohle hat daher auch in Italien begonnen. Inzwischen wurden drei Kohlekraftwerke in La Spezia, Venedig und Monfalcone reaktiviert.