Ötzi Wiki: Wie entsteht der PUN?

Der PUN (Prezzo Unico Nazionale) ist der italienische Großhandels-Referenzpreis für Strom, der im Handel an der italienischen Strombörse (IPEX – Italian Power Exchange) entsteht. Diese nationale Strombörse wurde 2007 nach dem Inkrafttreten des Gesetzesdekrets zur Liberalisierung des Strommarktes gegründet und regelt den Handel zwischen Stromerzeugern und Stromversorgern. Der PUN ist damit der gesamtstaatlich ermittelte Durchschnittspreis der zonalen Verkaufspreise für Strom, der stündlich und täglich ermittelt wird. Dabei werden die zu verschiedenen Tageszeiten gebildeten Handelsmengen und Preise berücksichtigt.

Die Börse wird vom Gestore Mercati Energetici (GME) geführt, auf dessen Homepage das Marktgeschehen und die aktuelle Entwicklung des PUN-Index verfolgt werden können. Die Schwankungen des PUN sind ein wichtiger Faktor bei der Berechnung der Endenergiekosten. Wenn der PUN-Wert steigt, steigen die Kosten tendenziell, während sie sinken, wenn der PUN-Wert fällt. Die Energieversorger bieten in der Regel Endverbrauchertarife für Energielieferungen mit fixen oder variablen Preisen an. Die Entscheidung für einen variablen Energiepreis bedeutet, dass dieser Preis an die Entwicklung des PUN gebunden ist. Fixpreisangebote bleiben dagegen für einen vertraglich festgelegten Zeitraum unverändert.

Im Gespräch mit Uta Eser

Dr. Uta Eser ist Biologin und Umweltethikerin und erforscht unter anderem den Zusammenhang zwischen Politik, Ethik und Ökologie.

Ötzi Strom hatte die Ehre Ihr einige Fragen zu stellen:

Viele Menschen erklären, dass ihnen der Schutz der Natur wichtig sei. Gleichzeitig tragen sie – etwa mit ihrem Konsum – zu deren Zerstörung bei. Auch Naturschützer haben Handys, fahren Auto, benutzen Computer und kaufen Bitcoins. Wie lässt sich dieser Widerspruch lösen?
Diesen Widerspruch auf der individuellen Ebene zu lösen, ist kaum möglich. „Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach“ – das gilt ja nicht nur beim Klima, sondern beispielsweise auch für die individuelle Gesundheitsvorsorge. Solange klimaverträgliche Handlungsmuster billiger und bequemer sind als klimaschädliche, wird es kaum gelingen, hinreichend viele Menschen zum Umsteigen zu bewegen.

Ist ein „naturnahes“ Leben ohne den Verbrauch wertvoller Ressourcen in unserer modernen und technisierten Welt überhaupt möglich?
Grundsätzlicher gefragt: Kann der Mensch – als vernunftbegabtes und „wissendes“ Wesen – aufgrund seiner Sonderstellung in der Evolution überhaupt „natürlich“, naturnah oder im Einklang mit der Natur leben?
Ich halte wenig davon, hier allgemein von „der Mensch“ zu sprechen. Naturzerstörung ist keine biologische Eigenschaft der menschlichen Gattung, sondern die Folge einer Lebens- und Wirtschaftsweise, die den Eigennutz zum allein gültigen Kriterium erhebt. Es gab und gibt viele Menschen auf der Erde, die Rücksichtnahme auf die Natur üben.

Geht es beim Naturschutz nicht immer auch um den Menschen selbst? Anders gefragt: Setzen wir uns nicht vor allem deshalb zum Schutz der Natur ein, weil es uns nutzt?
Selbstverständlich geht es auch um den Menschen – wir sind ja schließlich Teil der Natur. Und was soll an der Sorge um uns selbst falsch sein? Allerdings halte ich es für zu kurz gegriffen, nur über den Nutzen der Natur zu sprechen. Viele Menschen schützen Natur auch, weil sie sie achten, verehren oder lieben – das ist etwas ganz anderes als ein Nutzungsinteresse.

Würde jemand gegen die Abholzung der Regenwälder oder die Verschmutzung der Meere protestieren, wenn das keine Folgen oder sogar positive Folgen hätte?
Das weiß ich nicht – und ich finde es auch müßig darüber zu spekulieren. Wir wissen ja, dass es negative Folgen gibt, für Menschen, Tiere und Ökosysteme. Das genügt doch.

Ist die Nutzung erneuerbarer Energieträger wie Wasser, Sonne oder Wind ein Mittel zum Zweck – oder kann das ein Schritt zu einer Koexistenz mit Natur werden, die auf Zerstörung und Ausbeutung – auch des Menschen selbst – verzichtet?
Machen wir uns nichts vor – auch die Nutzung erneuerbarer Energieträger hat ihren Preis für die Natur. Die Umstellung auf Erneuerbare ist zwar nötig, aber nicht hinreichend. Eine ernsthafte Wende wird es erst geben können durch eine Politik der Suffizienz. Wir müssen nicht nur andere Energieträger verwenden, sondern unseren Energiebedarf insgesamt reduzieren.

Energieträger Wasserstoff – eine Option für die Zukunft?

Kann Grüner Wasserstoff fossiles Gas ersetzen? Laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen soll Grüner Wasserstoff aus eigener Produktion schon in einem mittelfristigen Szenario durch das europäische Pipeline-Netz fließen – und nicht mehr fossiles Importgas aus Russland oder Nordafrika. In seinem Roman „Die geheimnisvolle Insel“ hatte der Visionär Jules Verne Wasser 1874 als „Kohle der Zukunft“ bezeichnet. Sicher ist: Wasserstoff ist äußerst vielseitig: Er kann in Brennstoffzellen, als Basis für synthetische Kraftstoffe, als Brennstoff für Wärme und zur Langzeitspeicherung von erneuerbarem Strom genutzt werden. Er dient zudem als Rohstoff für wichtige chemische Produkte. Aber: Auf unserem Planeten ist Wasserstoff meistens mit Sauerstoff verbunden. Wenn man Wasserstoff nutzen will, muss man ihn also vom Sauerstoff abspalten. Und dazu braucht man Energie. Sehr viel Energie.

Wasserstoff ist nicht gleich Wasserstoff:

  • Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse von Wasser hergestellt. Bei Grünem Wasserstoff kommt der Strom für die Elektrolyse ausschließlich aus erneuerbaren Energien. Dadurch ist diese Energie – und damit auch die Produktion von Wasserstoffgas – CO2-frei. Wenn fossiles Erdgas durch Grünen Wasserstoff ersetzt werden soll, ist die in Europa erzeugte erneuerbare Energie nicht ausreichend. Grüner Wasserstoff muss also importiert werden – vor allem aus Ländern mit niedrigen Gestehungskosten für Solar- oder Windstrom wie etwa in Afrika. Der Wettlauf um die Ressourcen des afrikanischen Kontinents hat bereits begonnen. Ein Beispiel: Unweit der sonnen- und windreichen namibischen Hafenstadt Lüderitz soll das deutsch-südafrikanische Joint Venture-Unternehmen Hyphen Hydrogen Energy im Tsau-Khaeb-Nationalpark eine riesige Wasserstoff-Fabrik bauen (Investitionsvolumen 9,4 Mrd. US-Dollar für die Produktion von jährlich 300.000 Tonnen grünem Wasserstoff, Aufbau von drei GW Elektrolyseleistung sowie fünf GW Windkraft- und PV-Leistung bis Ende des Jahrzehnts).
  • Bei Grauem Wasserstoff ist der Ausgangsstoff ein fossiler Brennstoff. In den meisten Fällen wird die „Dampfreformierung“ angewendet. Dabei wird Erdgas unter dem Einsatz von Hitze in Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff umgewandelt und das CO2 ungenutzt in die Atmosphäre abgegeben. Pro Tonne des mit diesem Verfahren produzierten Wasserstoffs entstehen daher zirka zehn Tonnen CO2. Übrigens: Bei der Produktion von Grünem und Grauem Wasserstoff ist der Energieverlust sehr hoch: 20 bis 35 Prozent der eingesetzten Energie gehen verloren.
  • Blauer Wasserstoff ist ebenfalls Grauer Wasserstoff. Allerdings wird das durch die Dampfreformierung entstandene CO2 in diesem Fall nicht abgegeben, sondern gespeichert (Carbon Capture and Storage). Das bei der Produktion entstandene CO2 gelangt nicht in die Atmosphäre. Durch die CO2- und Methanemissionen bei Förderung und Transport des Erdgases ist Blauer Wasserstoff allerdings mit einem erheblichen CO2-Fußabdruck belastet.
  • Türkiser Wasserstoff wird über die thermische Spaltung von Methan gewonnen. Dieses Verfahren wird auch als Methanpyrolyse bezeichnet. Anstelle von CO2 entsteht hierbei ein fester Kohlenstoff. Um diese Art der Produktion CO2-neutral zu gestalten, ist sowohl die Wärmeversorgung des Hochtemperaturreaktors aus erneuerbaren Energien, als auch die dauerhafte Bindung des entstehenden Kohlenstoffs notwendig. Wie bei allen erdgasbasierten Verfahren treten hier in der Erdgas-Lieferkette erhebliche CO2- und Methanemissionen auf.

Dazu eine Stellungnahme von Greenpeace-Deutschland: „Deutschland wird für eine vollständige Energiewende neben grünem Strom (rund 950 TWh im Jahr) auch erhebliche Mengen an erneuerbaren Gasen benötigen: rund 1.100 TWh im Jahr. Wegen seiner schlechten Klimabilanz scheidet Grauer Wasserstoff hier aus. Auch Blauer Wasserstoff ist mit dem 1,5-Grad-Ziel von Paris nicht kompatibel. Nur per Elektrolyse aus erneuerbarem Strom gewonnener Grüner Wasserstoff ist klimaneutral und somit eine sinnvolle, wenn auch preislich aktuell noch nicht konkurrenzfähige Option“.

Energiepreise: Wie geht es weiter und welchen Einfluss ihr auf eure Stromrechnung habt

Bilden Angebot und Nachfrage bei den Großhandelspreisen für Strom und Gas ein neues – und dauerhafteres – Gleichgewicht? Im Januar betrug der gesamtstaatliche Einheitspreis für elektrische Energie in Italien (PUN) 224,50 Euro pro Megawattstunde. Im Dezember 2021 hatte der PUN einen Höchststand von 281,24 Euro/MWh erreicht. Am 17. Februar – also vor der Zuspitzung der Ukraine-Krise – war der PUN auf 182,68 Euro/MWh gesunken und der bei Termingeschäften im dritten Quartal veranschlagte PUN lag um 190 Euro/MWh. Laut einem Basisszenario der italienischen Großbank Intesa Sanpaolo gehen die Gas- und Energiepreise in den kommenden Monaten zwar zurück, bleiben aber dauerhaft über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre.

Die italienische Regierung hat inzwischen weitere Maßnahmen zur Senkung der Strompreise beschlossen. Demnach wird die Streichung der so genannten Systemkosten auf alle Kunden (Haushalte sowie Betriebe) im ersten Trimester 2022 gestrichen, sowie für Haushaltskunden mit einer Anschlussleistung unter 16,5 kW auf das zweite Quartal 2022 verlängert.

Außerdem richtet Rom einen neuen Fonds ein, der die Selbstversorgung von kleinen und mittleren Unternehmen mit „grünem“ Strom aus Anlagen mit einer Leistung bis zu 200 kW fördern soll. Übrigens: Während die Regierung die Gewinne aus der Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien künstlich begrenzt und die inländische Gasproduktion ankurbeln will, profitieren andere von der Krise: 2021 stiegen die Gewinne des Eni-Konzerns – vor allem aufgrund der hohen Öl- und Gaspreise – auf ein Zehnjahreshoch.

Ihr könnt auch selbst etwas tun:

  • Wenn ihr eine Dachfläche zur Verfügung haben, empfehlen wir die Installation einer Photovoltaikanlage, entweder für Ihr Haus oder für Ihr Unternehmen. Rufen Sie uns für weitere Informationen an!
  • Wenn Sie Ihre Nachbarn kennen, können Sie sich zu einer Energiegemeinschaft zusammenschließen und gemeinsam erneuerbare Energiesysteme installieren. Ruft uns für weitere Informationen an!
  • Außerdem könnt ihr eure Stromrechnung etwas beeinflussen indem ihr euren Verbrauch auf die Zeitzonen F2 und F3 verlagert, da der Strompreis in diesen beiden „Zeitfenstern“ günstiger ist.

Zeitzone F1: montags bis freitags, 8.00 bis 19.00 Uhr (gesamtstaatliche Feiertage sind ausgeschlossen). Das ist der Zeitraum, in dem von Haushaltskunden und Unternehmen am meisten Strom verbraucht wird – und der Preis meistens am höchsten ist. 

Zeitzone F2: montags bis freitags, 7.00 bis 8.00 Uhr und 19.00 bis 23.00 Uhr ; samstags von 7.00 bis 23.00 Uhr (gesamtstaatliche Feiertage sind ausgeschlossen)

Zeitzone F3: montags bis  samstags, 00.00 bis 7.00 Uhr und 23.00bis 24.00 Uhr; sonntags und an Feiertagen 00.00 bis 24.00 Uhr.

Pressemitteilung SEV: „Unsinn“ und „Panikmache“

Landeshauptmann Arno Kompatscher hat gestern im Rahmen einer Pressekonferenz einer Abkoppelung Südtirols vom gesamtstaatlichen Stromnetz eine Absage erteilt. Ein Verlassen des Stromverbunds würde dazu führen, „dass in einigen Monaten das Licht ausgeht“. In einer Pressemitteilung bezeichnet der Generaldirektor des Südtiroler Energieverbands SEV Rudi Rienzner diese Aussagen als „Unsinn“ und „Panikmache“. Offenbar sei energiepolitisches Fachwissen in der aktuellen Landesregierung „kaum oder gar nicht vorhanden“. Der SEV weist darauf hin, dass schon sein Zukunftsentwurf „Der zweite Weg“ vom Frühjahr 2013, auf den sich viele Akteure in ihren öffentlichen Statements beziehen, zwar eine regulatorische Autonomie – aber keineswegs einen Ausstieg aus dem italienischen Verbundnetz vorsieht.

Die Position des SEV: Eine spürbare Absenkung der Strompreise ist in Südtirol – aufgrund der staatlich vorgegebenen Rahmenbedingungen und dazu gehört auch die Tarifordnung – nur in einem genossenschaftlichen System möglich. Entsprechende Konzepte wurden seit 2013 kontinuierlich weiterentwickelt, der Landespolitik vorgelegt – und von dieser ignoriert.

2015 präsentierte der SEV ein Strategiepapier („Südtiroler Haushalte und Betriebe wollen billigen Strom“) mit dem Modell einer Südtiroler Strombörse, um elektrische Energie aus Südtiroler Wasserkraft zu Vorzugspreisen an einheimische Verbraucher weiterzugeben zu können. 2017 folgte ein Positionspapier für die Aufsichtsbehörde AEEGSI (heute ARERA) über die Bildung einer autonomen Regulierungsbehörde in Südtirol. Rudi Rienzner: „Eigentlich sollte es doch die Aufgabe eines Landeshauptmanns sein, sämtliche Spielräume, die uns das Autonomiestatut gibt, auszuloten – und nicht von vornherein die Lichter ausgehen lassen“.

EU: „Eiertanz“ in Brüssel

„Grün“, „nachhaltig“ oder nur ein „Übergang“? Am 31. Dezember hat die Europäische Kommission das Konsultationsverfahren zur ergänzenden Taxonomie-Rechtsverordnung und damit zur Rolle von Gaskraftwerken und der Kernenergie im Green-Deal-Szenario eingeleitet. Ein 60 Seiten umfassender Text wurde den EU-Mitgliedsstaaten via E-Mail zwei Stunden (!) vor dem Jahreswechsel zugestellt. Die EU-Taxonomie soll private Investitionen mobilisieren und Investmentfonds Orientierungshilfen geben. So listet die Taxonomie Technologien auf, die es den einzelnen EU-Staaten in den kommenden 30 Jahren ermöglichen sollen, „sich von sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen aus in Richtung Klimaneutralität zu bewegen“.

Und dazu gehören laut EU auch der Energieträger Erdgas und die Kernenergie. „Gestützt auf wissenschaftliche Gutachten und den aktuellen Stand des technologischen Fortschritts“ vertritt die EU-Kommission in ihrem Positionspapier die Auffassung, „dass Erdgas und Kernenergie die Transition zu kohlenstoffarmen Energiesystemen erleichtern und auf dem Weg in eine überwiegend auf erneuerbaren Energien basierenden Zukunft eine Rolle spielen können“. Mit dieser vorsichtigen Formulierung stuft die Kommission Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke als „klimafreundlich“ ein – wenn auch nur unter bestimmten Bedingungen.

So sollen neue Gaskraftwerke in der EU nur dann eingesetzt werden, wenn nicht genügend erneuerbare Energie produziert wird. Die Anlagen, deren Emissionen einen bestimmten Wert pro KWh nicht überschreiten dürfen, müssen bis Ende 2030 genehmigt sein und ältere Kohlekraftwerke ersetzen. Zudem können sie ab 2035 nur noch mit „low-carbon gases” wie etwa Wasserstoff, die laut einer EU-Vorgabe 70 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als gewöhnliches Erdgas, betrieben werden. Neue Atomanlagen müssen – natürlich – modernen technischen Standards entsprechen. Eine Baugenehmigung muss in diesem Fall bis 2045 vorliegen. Die Betreiber sind zudem verpflichtet, bis 2050 (!) konkrete Pläne für den Betrieb einer Entsorgungsanlage für hoch radioaktive Abfälle vorzulegen. Aber: Selbst die Laufzeitverlängerungen bestehender Atomkraftwerke können über die Taxonomie finanziert werden. 2020 betrug das Durchschnittsalter französischer Anlagen bereits mehr als 35 Jahre.

Es geht auch anders: „Wenn diese Krise eines deutlich macht, dann dass es an der Zeit ist, die Produktion erneuerbar Energie aus Sonne und Wind auszubauen‘“, heißt es dazu in einem Kommentar auf der Homepage des europäischen Netzwerks nachhaltiger Energiegenossenschaften REScoop.eu. Ein zentrales Element dieser „Energiewende“ sei das aktive Engagement der betroffenen Menschen. Lokale Gemeinschaften sollten daher in die Lage versetzt werden, ihre eigene „grüne‘“ Energieerzeugung aufzubauen. Die EU-Mitgliedstaaten werden daher aufgefordert ihren rechtlichen Verpflichtungen zur Förderung erneuerbarer Energien nachzukommen. Denn: „Wenn wir bei der Energiewende niemanden zurücklassen wollen, müssen wir jetzt die Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt stellen.

Die „Plattform für nachhaltige Finanzen“ – in Deutschland ein wichtiges Beratergremium bei der Entwicklung der europäischen Taxonomie – kann die Kommissionspläne ebenso wie vergleichbare Expertengremien in den anderen EU-Mitgliedsstaaten nur noch bis zum 21. Januar kommentieren. Das erste Fazit der deutschen Wissenschaftler: Der aktuelle Entwurf sei nicht nur „Greenwashing“, sondern gefährde den grünen Wandel in Europa.

Energiegemeinschaften: Die gute Nachricht

Mit einem Gesetzesdekret, mit dem Italien die EU-Richtlinie 2018/2001 zur Förderung der Nutzung erneuerbarer Energie (REDII) übernommen hat, wurden die technischen Spielräume für Energiegemeinschaften deutlich erweitert. Bisher waren Energiegemeinschaften zur Selbstversorgung mit Strom aus erneuerbaren Quellen sowohl in Bezug auf den Umfang wie auch auf die Leistung der eigenen Produktionsanlagen sehr stark eingeschränkt. Das neue Dekret hat die Beitrittsmöglichkeit von den Anschlüssen einer so genannten Sekundärkabine auf den von einer Primärkabine versorgten Kundenkreis ausgedehnt. Damit können sich mehr Menschen an einer Energiegemeinschaft beteiligen. Strom muss von den überregionalen Hochspannungsleitungen in das lokale Verteilungsnetz mit Mittel- oder Niederspannung transportiert werden. Primärkabinen sind die Verbindung zwischen der Hoch- und Mittelspannung (zwischen 1 kV und 35 kV). Sekundärkabinen verbinden die Mittel- und Niederspannung (Nennspannung bis 1 kV). Die Leistungsgrenze für Anlagen mit denen sich Energiegemeinschaften versorgen wurde gleichzeitig von 200 kW auf einen MW erhöht.

Auch die Anzahl der Kategorien von Verbraucherinnen und Verbrauchern, die sich einer Energiegemeinschaft anschließen können, wurde erweitert: Neben Haushalten, lokalen Behörden sowie kleinen und mittleren Betrieben, können sich jetzt auch religiöse Gemeinschaften, der gesamte Dienstleistungssektor und Forschungseinrichtungen an Energiegemeinschaften beteiligen. Eine Energiegemeinschaft kann mit einer neuen Anlage, die nach dem 15. Dezember 2021 gebaut wurde, oder mit einer bestehenden Anlage gebildet werden. In diesem Fall darf die Energiegemeinschaft allerdings höchstens 30 Prozent der jeweiligen Gesamtleistung nutzen. Das neue Gesetzesdekret legt auch fest, dass eine Energiegemeinschaft Maßnahmen zur Hausautomatisierung und Energieeffizienz fördern und ihren Mitgliedern Dienstleistungen zum Aufladen von Elektrofahrzeugen anbieten kann.

Energiepreise: Die Rolle der Erneuerbaren

Ohne den Einsatz erneuerbarer Energieträger wie Sonne oder Wasser würden die Kosten für Strom und Gas für Familien und Unternehmen in Italien noch dramatischer steigen, stellt der Energiekonzern ENEL fest. So erzeugt Italien heute 50 Prozent seines Strombedarfs mit fossilem Gas und 90 Prozent dieses Brennstoffs werden importiert. Die Nutzung Erneuerbarer Energien, so der für den italienischen Markt zuständige ENEL-Direktor Nicola Lanzetta in einem Interview mit der Nachrichtenagentur ANSA, könne wesentlich zur Senkung der Strom- und Gasrechnungen beitragen und „wenn wir die Entwicklung erneuerbarer Energien nicht schon vor zehn Jahren in Angriff genommen hätten, wäre der Preisanstieg, den wir heute beim Strom erleben, noch um zehn bis 15 Prozent höher“. In zehn Jahren sei es in Italien, ohne Wunder vollbringen zu müssen, möglich, 70 Prozent des nationalen Strombedarfs mit erneuerbarer Energie abzudecken.

Pressemitteilung: „No Way for Future?“

No Way for Future?

Flickwerk mit Widersprüchen: Mitglieder von Ötzi Strom analysieren das Update zum Klimaplan Energie Südtirol – und die Energiepolitik des Landes.

Eine erfolgreiche und „nachhaltige“ Klimapolitik braucht die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. Deshalb hat die Genossenschaft Ötzi Strom ihre Mitglieder in dieser Woche zu einem mehrstündigen Online-Workshop zum aktuellen Update des Klimaplans Energie Südtirol 2050 eingeladen, um Verbesserungsvorschläge und Kritikpunkte zu sammeln und zu diskutieren.

Schon die methodische Mängelliste ist lang: So habe man nicht nur wichtige Bereiche wie die Landwirtschaft ausgeklammert – das Update verfüge zudem über keinen Kostenplan und die Interventionen seien nicht klimaneutral. Die gesetzgeberischen Handlungsspielräume des Landes Südtirol in der Klimapolitik werden nicht abgesteckt, Verantwortungsbereiche für die Umsetzung der Maßnahmen nicht zugewiesen. Zudem habe das Land bei der Formulierung des Klima-Updates auf externes Fachwissen verzichtet. Das vorliegende Ergebnis sei daher keine von Daten gestützte Planungsgrundlage, sondern ein Flickwerk mit Widersprüchen. So sehe der Klimaplan die Reduzierung des pro Kopf berechneten Stromverbrauchs vor – obwohl heute viele Bereiche, die früher von fossilen Brennstoffen abgedeckt wurden, „elektrifiziert“ werden. Wie soll man ein E-Auto oder eine Wärmepumpe kaufen und den Verbrauch senken?

Auch das vom Land angebotene Modell einer „digitalen“ Beteiligung der Bevölkerung über die Homepage der Agentur für Umwelt und Klimaschutz überzeugt die Ötzi-Community nicht. Das Ausfüllen von – komplexen und unverbindlichen – Online-Formularen und die Vergabe von „Likes“ gleiche eher einem Monolog als einem ergebnisoffenen Dialog. Zudem sei die Online-Bewertung des Maßnahmenkatalogs nur noch bis zum 31. Dezember 2021 möglich. Eine öffentliche – und vor allem lokal verortete – Klimadiskussion habe daher nicht stattgefunden.

Business as usual: Im vergangenen Jahrzehnt habe das Land als politischer Akteur deshalb kaum Fehler gemacht, weil nichts getan wurde. Heute – so die am Workshop teilnehmenden Ötzi Mitglieder – verwalte man nur den in den 1990er Jahren in den Bereichen Wasserkraft und Fernwärme aufgebauten Bestand. Dabei erfordere wirksamer Klimaschutz tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen und betreffe die Lebenswirklichkeit aller Menschen. Das Fazit des Ötzi-Workshops: Auf die Herausforderungen antworte die Energie- und Klimapolitik – früher ein bedeutendes Ressort in der Landesverwaltung – nicht mit einem „großen Wurf“, sondern „werfe Steinchen“. Aus dem „Rums“ wird somit ein „Bums“, aus Wein wird Wasser.

Aktuelle Budgetdaten belegen diese pessimistische Einschätzung: Im Landeshaushalt 2022 – mit Ausgaben in Höhe von 6,4 Milliarden Euro – sind dem Schlüsselbereich „Energie und Diversifizierung der Energiequellen“ lediglich19,6 Millionen (!) Euro zugewiesen worden. Nur: Wirksamer Klimaschutz ist eben kein Low-Budget-Geschäft. Mit dem PR-Slogan „Every Day for Future“ stellt sich das Land Südtirol zwar neben die internationale Klimaschutzbewegung. Aber angesichts der Fakten wäre „No Way for Future‘“ vielleicht die bessere Lösung gewesen.

Dennoch: Ötzi Strom wird die im Workshop besprochenen Verbesserungsvorschläge für den Klimaplan jetzt bündeln und online deponieren. Diese reichen von der forstwirtschaftlichen Nutzung der Südtiroler Wälder als potenzielle Holzlieferanten für neue Fernheizwerke über die Neugestaltung von Energiezertifikaten für Wohngebäude und den verstärkten Einsatz von Geothermie-Anlagen bis zur aktiven Förderung für Energiegemeinschaften auf Landesebene. Ein weiterer Vorschlag betrifft die Auslotung der autonomiepolitischen Möglichkeiten für eine Energieautarkie. Nur: Dazu braucht es Mut. Und der ist heute – offenbar – nicht vorhanden.

Pressemitteilung: Erdgas ist nicht „grün“

Erdgas ist nicht „grün“

Mehr Klimaschutz wagen: Ötzi Strom fordert das Land und die Gemeinden dazu auf, schon heute auf den Energieträger Erdgas zu verzichten.

„Greenwashing“ im Klimaland: In Südtirol wird Kundinnen und Kunden heute versprochen, sie könnten mit „natürlichem“ Erdgas kochen, ihre Wohnung beheizen – und dadurch die Umwelt schützen. Dabei ist Erdgas nicht „grün“, „öko“ oder „klimaneutral“. Gleichzeitig werden in Berggebieten neue Gasleitungen verlegt. Jetzt fordert die Genossenschaft Ötzi Strom die Landesregierung und die Gemeinden dazu auf, vollständig auf den Energieträger Erdgas zu verzichten. Übrigens: Auch Südtiroler Anbieter von „grünem Erdgas“ räumen die CO₂.- und Methangasemissionen dieses fossilen Brennstoffs inzwischen offen ein und versprechen, die produzierten Treibhausgase durch Investitionen in „ferne“ Umweltschutzprojekte in Asien und Lateinamerika zu kompensieren. Wäre es da nicht nachhaltiger, auf Biomassefernwärme aus Südtiroler Heizwerken oder erneuerbare Energie aus einheimischer Wasserkraft zu setzen?

Zwar stößt eine Gasheizung weniger CO₂ aus als eine mit Kohle oder Erdöl befeuerte Anlage. Aber die Treibhausemissionen bei der Nutzung von Erdgas können nur dann ermittelt werden, wenn man den ganzen Zyklus der Versorgungskette, von der Gasförderung über den Gastransport bis zum Gasverbrauch betrachtet. Dabei entweichen – schon vor der eigentlichen Verbrennung – erhebliche Mengen des Treibhausgases Methan. Denn Methan ist ein Hauptbestandteil von Erdgas. Es entsteht, wenn organische Materialien ohne Sauerstoff zersetzt werden, etwa beim Verrotten in Mooren und Sümpfen oder auf dem Meeresboden. Auch das in Italien konsumierte Erdgas legt weite Wege zurück: 2019 stammten 46 Prozent aller italienischen Gasimporte aus Russland. 18,8 Prozent wurden in Algerien gefördert, 9,2 Prozent in Katar, 8,7 Prozent aus Norwegen und 8 Prozent aus Libyen.

Die Folgen für das Klima sind extrem: Methan ist ein starkes Treibhausgas, dessen globales Erwärmungspotenzial in einem Zeithorizont von 100 Jahren 34-mal höher und in einem Zeitrahmen von 20 Jahren 86-mal höher ist als CO₂. Auch deshalb sind selbst moderne Gaskraftwerke de in vielen Fällen deutlich klimaschädlicher als mit Kohle befeuerte Anlagen.