Planspiele in Afrika

Italiens neuer „Piano Mattei per l’Africa“. Giorgia Meloni reiste nach Algerien. Dort kündigte sie an, Italien zu einem europäischen Knotenpunkt für Energielieferungen aus dem afrikanischen Kontinent machen zu wollen. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist Algerien der wichtigste Gaslieferant für Italien. Das Land hat 1987 seine Gasfelder eröffnet und diese in den Folgejahren die Transmed-Pipeline erweitert. Diese ist heute direkt mit der Poebene verbunden.

Die To-Do-Liste der Energiekonzerne ENI (Italien) und Sonatrach (Algerien) ist durchaus ambitioniert. Sie wollen in den kommenden Jahren die Lieferung von fossilem Gas aus der algerischen Wüste potenzieren. Zudem ist auch eine Pipelineverbindung für den Transport von „grünem“ Wasserstoff geplant. Die Energie aus den Solarkraftwerden soll diesen Wasserstoff produzieren. In den kommenden Monaten will die italienische Regierung die Kontakte mit weiteren afrikanischen Energiexporteuren intensivieren. Der Kontakt zu Libyen, Ägypten, Marokko oder Nigeria soll ausgebaut werden. Kurz gesagt: Das Land verschiebt die Lieferketten für Energieeinfuhren von einer West-Ost- auf eine Nord-Süd-Achse und bezieht sich gleichzeitig auf das Erbe des legendären ENI-Gründers Enrico Mattei.

Eine bessere Visitenkarte ist in Nordafrika wohl kaum vorstellbar. Mattei, nach dem in Algier ein – von Giorgia Meloni während ihres Aufenthalts besuchter – Park benannt ist, bot den afrikanischen Öl- und Gasförderländern Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre überaus vorteilhafte Bedingungen an – und schuf damit eine Alternative zur Geschäftspolitik der multinationalen Energiekonzerne Exxon, Mobil, Texaco, Standard Oil of California, Gulf Oil, Royal Dutch Shell und British Petroleum. Laut Mattei betrachteten diese Unternehmen die globalen Energiemärkte als „Jagdrevier für ihre Monopolpolitik“. Der ENI-Präsident garantierte den afrikanischen Staaten 75 Prozent der mit ihren Rohstoffen erzielten Gewinne und hob die damit bis dahin geltende 50:50-Aufteilung zwischen Ölgesellschaften und Förderländern auf. Die Zukunft wird zeigen, ob die italienische Regierung den antikolonialistischen Ansatz des ENI-Generals fortsetzt, der politische Parteien einmal als „Taxi“ beschrieben hatte: „Ich steige ein, ich zahle und wenn ich einmal an meinem Ziel angekommen bin, steige ich wieder aus“.

Freie Fahrt für PV-Anlagen – jetzt auch in Südtirol

Beginnt das 2022 das Solarzeitalter in Europa? Die Marktanalyse des „EU Solar Outlook 2022 – 2026“ geht in den EU-Mitgliedsstaaten von 41,4 Gigawatt (GW) neu installierter Solar-PV-Kapazität im vergangenen Jahr aus. Ein Plus von 47 Prozent gegenüber den 28,1 GW, die 2021 ans Netz gingen. Laut der heute als am wahrscheinlichsten geltenden Prognose könnte die 50-GW Marke bei den EU-internen Neuinstallationen bis 2023 überschritten sein. Die heute zur Verfügung stehende Leistung könnte sich bis 2026 mehr als verdoppeln.

Der Südtiroler Landtag hat die Regelung für das Anbringen von PV-Modulen und Sonnenkollektoren Ende Dezember neu formuliert und somit liberalisiert. Dies geschah angesichts der europäischen Trends, der hohen Strompreise und der Anforderungen des Klimaplan Südtirol. Demnach darf man diese Anlagen jetzt ohne Genehmigung oder Meldung an Dächern, Fassaden und Balkonen anbringen. Vorausgesetzt natürlich, dass sich die Gebäude in Bauzonen und nicht in den historischen Ortskernen befinden. Wenn die Gebäude im Landwirtschaftsgebiet ohne besondere landschaftliche Bindungen stehen, darf man Photovoltaikpaneele und thermische Sonnenkollektoren ebenfalls ohne Genehmigung oder Meldung auf den Dächern installieren. Erlaubte Standorte für PV-Module und thermische Sonnenkollektoren sind zudem Flächen, die – wie die Überdachung von Parkplätzen – vom Autoverkehr genutzt werden oder Freiflächen in Gebieten für öffentliche Einrichtungen. Zu dieser Solar-Offensive hat das Land ein Faltblatt mit wichtigen Infos veröffentlicht. Ihr könnt diesen Leitfaden hier herunterladen.

Gaskraftwerk: Bedingt wettbewerbsfähig

Auch bei sinkenden Einkaufspreisen kann die gasbefeuerte Stromerzeugung im Wettbewerb mit erneuerbaren Energieträgern nicht bestehen. Eine kürzlich präsentierte Studie von Rystad Energy zeigt, dass bei den aktuellen Gaspreisen der Betrieb von einem Gaskraftwerk in Europa langfristig zehnmal teurer wäre als der Bau neuer Solar-Kraftwerke. Rystad Energy ist das größte unabhängige Energieconsultingunternehmen in Norwegen und eines der weltweit führenden Analysten für die Öl- und Gasindustrie. Das Unternehmen untersuchte die Stromgestehungskosten für die Stromerzeugung aus Gas und Kohle bei unterschiedlichen Preisniveaus. Zudem verglich es diese mit den Gestehungskosten von Photovoltaik und Windkraft.

Die europäischen Gaspreise erreichten 2022 als Folge des Ukraine-Konflikts Rekordwerte. Die Spotpreise am niederländischen Gashub Title Transfer Facility (TTF) sind von 46 Euro pro Megawattstunde (MWh) im Jahr 2021 auf durchschnittlich 134 Euro pro MWh (Januar bis Oktober) gestiegen – ein Zuwachs von 187 Prozent (!). Im August erreichte der Preis sogar einen historischen Höchststand von 330 Euro pro MWh. Dies ließ die Kosten für die Stromerzeugung aus Gas auf fast 700 Euro pro MWh in die Höhe schnellen. Trotz des Preisanstiegs erhöhte sich die Stromerzeugung aus Gas in den ersten sieben Monaten des Jahres 2022 um vier Prozent. Dies ist vor allem auf den Rückgang der Stromerzeugung aus Wasserkraft und Kernkraft um 100 Terawattstunden (TWh) zurückzuführen.

2023 dürften die Wiederinbetriebnahme von Atommeilern in Frankreich, die 2022 für Wartungsarbeiten stillgelegt worden waren, verringern. Auch der geplante Ausbau der erneuerbaren Energien die hohe Nachfrage nach Erdgas allmählich soll dazu beitragen. Rystad Energy prognostiziert, dass sich die TTF-Preise bis 2030 bei 31 Euro pro MWh stabilisieren werden. Die Stromgestehungskosten der Gaskraftwerke würden dann auf 150 Euro pro MWh sinken. Zum Vergleich: Die Stromgestehungskosten von PV-Anlagen betragen heute nur 50 Euro pro MWh. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Gaskraftwerke sicher zu stellen, müssten die Gaspreise bis auf 17 Euro pro MWh fallen. Das ist kaum vorstellbar.

Im Basisszenario von Rystad Energy wird dennoch erwartet, dass die gasbefeuerte Stromerzeugung weiterhin eine wichtige Rolle im europäischen Strommix spielen wird. Kurzfristig ist diese Stromquelle unerlässlich, um die Nachfrage zu decken. Langfristig werden Gaskraftwerke benötigt, um die Schwankungen bei der Erzeugung erneuerbarer Energie auszugleichen. Die damit verbundene geringere Auslastung der Gaskraftwerke bedeutet, dass die Versorgungsunternehmen Förderungsgelder erhalten müssen, um Anreize für die Weiterführung ihrer Anlagen zu schaffen. In Anbetracht der hohen Kosten, die der Brennstoff Gas verursacht, sollten Energieversorger laut Rystad Energy Strategien überdenken und die Entwicklung sowohl von erneuerbaren Energien wie auch von Stromspeichern beschleunigen.

Energiewende: Die Renaissance der Kohle

Ein Blick auf die Web-Seite der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ belegt den aktuellen Trend. Täglich werden dort die prozentualen Anteile der Energieträger bei der Stromerzeugung in Deutschland veröffentlicht. Der Brennstoff Kohle liegt überraschend oft auf dem ersten Platz. So stammten am 15. Dezember 40,5 Prozent (!) der deutschen Stromproduktion aus Kohlekraftwerken, 23,5 Prozent (!) lieferte fossiles Gas und lediglich 15,1 Prozent (!) wurden in Windparks produziert.

Mit anderen Worten: Die Kohle ist weiterhin das Rückgrat der deutschen Energieversorgung. In Nordrhein-Westfalen baggert der Konzern RWE nicht nur das Dorf Lützerath aus dem Weg, um Braunkohle abbauen zu können. Acht große Windräder müssen dort für den Tagebau weichen. Der Ausstieg aus der Braunkohle in Deutschland ist schließlich erst für das Jahr 2030 vereinbart. Auch in Großbritannien erlebt die Kohle eine Renaissance: Eigentlich will das Land bis 2024 komplett aus der Kohleverstromung aussteigen. Aufgrund des Ukraine-Kriegs wies der britische Netzbetreiber National Grid im November drei Konzerne an, ihre Kohlekraftwerke für Notfälle in Bereitschaft zu halten: den Energieversorger Drax mit einer Anlage in Yorkshire, die beiden Kohlekraftwerke West Burton A des französischen Betreibers EDF und das Uniper-Kraftwerk Ratcliffe.

2021 verbrannte das ENEL in seinen Kraftwerken vier Millionen Tonnen Steinkohle. 2022 werden es acht Millionen Tonnen sein. Im Oktober 2022 wurden in Italien 21.108 Gigawattstunden Strom produziert und 1.665 Gigawattstunden (+ 56,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat) lieferten Kohlekraftwerke. Schwergewicht Kohle: In Europa gibt es (Stand: März 2022) 1.179 Kohlekraftwerke. Sieben der zehn klimaschädlichsten Kohlekraftwerke stehen laut der Denkfabrik Ember in Deutschland. 2021 waren Polen, das ebenfalls auf Kohle setzt, und Deutschland für 53 Prozent der Treibhausgas-Emissionen im EU-Stromsektor verantwortlich.

Genossenschaftliche Erfolgsgeschichten: Som Energia in Spanien

Spanien ist das Land mit der höchsten Sonneneinstrahlung in Europa. Das Land bremst den Bau von privaten Solaranlagen von 2015 bis 2018 mit einer „Sonnensteuer“ ein. Haushalte, die in diesen Jahren eigene PV-Module auf ihren Dächern installierten, mussten für jede selbst erzeugte Kilowattstunde eine Gebühr an den Staat zahlen.

So hat das Projekt begonnen

Dass man in Spanien mit der Kraft der Sonne sehr gut erneuerbare Energie produzieren kann, zeigt die katalanische Verbrauchergenossenschaft Som Energia (Wir sind Energie). Der wohl wichtigste Initiator dieses Projekts war der Holländer Gijsbert Huijink. 2008 hat er in der katalanischen Stadt Girona sein Studium im Fach Business Innovation & Technology Development abgeschlossen. Dabei hat er eine Solaranlage auf dem Dach seiner Wohnung errichtet.

2010 bereitet er mit 20 Studentinnen und Studenten die Gründung von Som Energia vor. Gijsbert Huijink: „Ursprünglich wollten wir eine Genossenschaft für die Erzeugung von Windenergie gründen. Doch aufgrund des Zeit- und Kostenaufwands für die Einholung von Genehmigungen und der mangelnden Unterstützung durch die öffentliche Verwaltung haben wir beschlossen, für jede Technologie offen zu sein. Wir wollten die Lieferung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen aufnehmen“.

Die Entstehung von „Som Energia“

Im Dezember 2010 wird Som Energia von 150 Mitgliedern gegründet, den ersten „grünen“ Strom verkauft die Genossenschaft im Oktober 2011. Den Ökostrom bezieht sie bis heute vorwiegend von kleineren Produzenten. Die Genossenschaft beginnt schon früh, eigene Anlagen – vorwiegend im Bereich der Solarenergie – zu bauen. Standort der ersten genossenschaftlichen PV-Module ist das Dach des Trainingszentrums des Fußballclubs FC Girona. Von Som Energia betriebene Anlagen sind etwa ein Wasserkraftwerk in Valladolid oder ein Solarkraftwerk in Andalusien. Das dort investierte Geld stammt vor allem von verzinsten Direktinvestitionen der eigenen Mitglieder.

Ein anderes Modell ist das Projekt „Generation KWh“. Som-Energia-Mitglieder leihen ihrer Genossenschaft über den Erwerb von „Energie-Aktien“ 25 Jahre lang zinsfrei Geld zum Bau von Produktionsanlagen. Im Gegenzug erhalten sie „grüne Energie“ zu einem Preis, der den Gestehungskosten entspricht. Übrigens: Der „Durchbruch“ erfolgt 2012 nach der Ausstrahlung der TV-Doku Oligopoly. El juego de la energia über die Macht von Stromkonzernen wie Endesa oder Iberdrola im spanischen Fernsehen. Danach klingeln in den Büros von Som Energia die Telefone und das Interesse von Haushalten und Unternehmen ist weiterhin sehr groß. Mit mehr als 83.000 Mitgliedern ist Som Energia die größte Genossenschaft für erneuerbare Energie in Spanien.

Strompreise: Der Entlastungsbonus des Landes

Mit einem einmaligen Entlastungsbonus will das Land Südtirol die hohen Energiekosten abfedern. An Familien mit Kindern wird der Entlastungsbonus in der Höhe von 600 Euro automatisch mit dem Landeskindergeld ausgezahlt.

Kinderlose Familien, Familien mit volljährigen Kindern, Alleinstehende und Rentner mit einem ISEE-Wert unter 40.000 Euro, einem Stromliefervertrag sowie einem Wohnsitz in Südtirol können vom 1. Dezember 2022 bis zum 31. März 2023 einen einmaligen Entlastungsbonus in Höhe von 500 Euro beantragen. Der ISEE-Wert kann von einem Steuerbeistandszentrum ermittelt oder über den Online-Dienst des INPS eigenständig errechnet werden ( INPS – Isee Precompilato). Anträge auf den „Entlastungsbonus“ können über den Online-Dienst des Landes (myCIVIS, Zugang mit SPID, aktivierter Bürgerkarte oder elektronischer Identitätskarte) oder über ein Steuerbeistandszentrum eingereicht werden. Für Anträge, die bis zum 31. Dezember 2022 gestellt werden, gilt der ISEE Wert 2022.

Für Gesuche, die ab dem 1. Januar 2023 eingereicht werden, sind die ISEE Werte 2022 oder 2023 zulässig. Informationen sind hier online abrufbar.

Ötzi Wiki: Blindstrom

Der Begriff Blindstrom stammt aus der Elektrotechnik und wird in Zusammenhang mit der Übertragung von elektrischer Energie verwendet. Während als Wirkstrom elektrischer Strom bezeichnet wird, dessen Arbeitsleistung in andere Energieformen wie Wärme oder Licht umgesetzt wird, belastet Blindstrom als pendelnder Strom zwischen dem Generator eines Elektrizitätswerks  und den Geräten des Verbraucher die Leitung, ohne dem Kunden eine Arbeitsleistung zur Verfügung zu stellen. Wirkleistung und Blindleistung ergeben dabei die sogenannte Scheinleistung. Das Produkt aus Blindstrom und Spannung nennt man Blindleistung. Dieser Stromanteil lässt sich also nicht für den Betrieb von Anlagen oder Geräten verbrauchen. Trotzdem erfüllt die Blindleistung einen Zweck. Sie dient dem Auf- und Abbau von Magnetfeldern, die dafür sorgen, dass der Strom im Wechselstromnetz übertragen wird. Dies trifft etwa bei Motoren, Transformatoren, Generatoren, Elektromotoren, Vorschaltgeräten oder beim Laden von Kondensatoren zu. Anders gesagt: Der  nutzbare Strom käme ohne die Blindleistung nicht vom Kraftwerk bis zum Kunden.

COP27: Don’t Look Up

Copyright Bild: https://live.worldbank.org/cop27

Kennt ihr die Kinokomödie „Don’t Look Up“ mit Leonardo DiCaprio und Jennifer Lawrence in den Hauptrollen? Der Plot erinnert an die Positionierung zahlreicher Staaten auf der ‚“27th Conference of the Parties to the United Nations Framework Convention on Climate Change“ (COP27) im ägyptischen Tourismuszentrum Sharm el-Sheikh. Ein US-amerikanischer Astronom entdeckt einen Kometen, der auf die Erde zurast. Die wenig interessierten politischen Entscheidungsträger fordern die Bevölkerung mit dem Slogan „Don’t Look Up“ so lange auf, „Ruhe zu bewahren“, bis die Apokalypse dann wirklich eintritt.

Die Weltklimakonferenz in Sharm el-Sheikh

Auch in Sharm el-Sheikh wollte man offenbar nicht allzu genau hinschauen. Die nach langen Verhandlungen verabschiedete Abschlusserklärung der – um 36 Stunden verlängerten – Weltklimakonferenz bestätigt den bereits beschlossenen Ausstieg aus der Kohleverstromung. Zugleich verzichtet sie aber auf Einschränkungen bei der Verbrennung von Erdöl und fossilem Gas. Das bei der Pariser Klimakonferenz 2015 mühsam ausgehandelte 1,5-Grad-Ziel wird erwähnt – aber konkrete und vor allem weltweit verpflichtende Maßnahmen zur Abschwächung der Erderwärmung sucht man in diesem Kompromiss vergebens. Dennoch gelang in Sharm el-Sheikh zumindest ein Durchbruch.

Der loss and damage-Fond

Die Delegationen beschlossen die Einrichtung eines Fonds zum Ausgleich der Verluste und Schäden (loss and damage) durch den Klimawandel. Er soll in Zukunft die Entwicklungsländer unterstützen, die durch die Klimakrise besonders verwundbar sind und durch zusätzliche Finanzinstrumente ergänzt werden. Die V20-Gruppe aus 58 besonders gefährdeten Staaten beziffert ihre in den vergangenen 20 Jahren entstandenen Kosten auf 525 Milliarden US-Dollar. Studien zufolge könnten die Schadenssummen weltweit bis 2050 auf 1,0 bis 1,8 Billionen US-Dollar jährlich ansteigen. Aber wer soll das bezahlen? Jene Weltregionen, die historisch am meisten zum Klimawandel beigetragen haben (Europa und die USA) oder die mächtigen Großverschmutzer des 21. Jahrhunderts (USA und China) oder Unternehmen, die Treibhausgase ausstoßen? So viele Fragen – und (noch) keine Antworten.

Der Bericht der CCPI

Zeitgleich zur Weltklimakonferenz in Ägypten haben Germanwatch, das NewClimate Institute, und das Climate Action Network International ihren Climate Change Performance Index (CCPI) 2023 veröffentlicht. Der CCPI ist ein unabhängiges Überwachungsinstrument zur Verfolgung der Klimaschutzleistung von 59 Ländern und der EU. Der Bericht soll einen Vergleich dieser Klimaschutzbemühungen ermöglichen. Die Klimaschutzleistung von Staaten, die zusammen 92 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verursachen, wird in vier Kategorien bewertet: Treibhausgasemissionen, erneuerbare Energien, Energienutzung und Klimapolitik.

Im EU-internen Vergleich liegt Italien mit Frankreich, Spanien, Österreich, Griechenland oder Kroatien, als „medium performer“ im Mittelfeld. Neun EU-Länder mit Schweden und Dänemark an der Spitze gehören zur Gruppe der „high and medium performer“. Ungarn und Polen sind die einzigen EU-Staaten mit einer sehr niedrigen (very low) Bewertung – zu dieser Kategorie gehören auch Kanada, die USA, Japan, Australien, China oder Russland. Das weltweite Ranking führen Dänemark, Schweden, Chile, Marokko, Indien, Estland, Norwegen und Großbritannien an. Italien liegt auf Platz 29 – hinter Frankreich und vor Kroatien. Die letzten drei Positionen belegen Kasachstan, Saudi-Arabien und der Iran.

Strompreis: Wer profitiert?

Wieviel bezahlen italienische Energiekonzerne wie ENI, Edison oder ENEL für Gasimporte? Laut den Berechnungen der Agenzia delle Dogane kostete fossiles Gas aus Algerien im Zeitraum Oktober-Dezember 2021 23 Euro pro Megawattstunde (MWh), Gas aus Aserbaidschan 67 Euro, Gas aus Russland 54 Euro und das mit Tankschiffen importierte Flüssiggas 48 Euro. Mit einer Gewichtung von 44 Prozent pro Megawattstunde (Wasserkraft: 16,4 Prozent, Fotovoltaik: 7,7 Prozent, Windkraft: 6,3 Prozent, Biomasse: 6,2 Prozent, Kohle: 5 Prozent, Erdölprodukte: 4 Prozent, Geothermie: 1,8 Prozent, Kernkraft: 8,6 Prozent) war fossiles Gas 2021 im geschützten Grundversorgungsdienst die wichtigste und teuerste Komponente bei der Kalkulation des Strompreise. Der Strompreis für Haushaltskunden im ersten Trimester 2022 war mit 96 Euro pro MWh war deutlich höher. Die Regulierungsbehörde ARERA berechnet diesen auf der Grundlage der oben genannten Importkosten im Grundversorgungsdienst.

Warum ist das so?

Die Antworten: Spekulative Termingeschäfte an der Amsterdamer Leitbörse für den Handel mit fossilem Gas lassen die Preise steigen. Das in allen EU-Länder angewandte Order-Merit-System führt unweigerlich dazu, dass der Gaspreis den Strompreis bestimmt. Besser wären natürlich die deutlich niedrigeren Produktionskosten für erneuerbare Energie. Der Börsenhandel lebt von Kauf- und Verkaufsverträgen. Hier erfolgt die Lieferung der Ware und die Zahlung des vereinbarten Preises zu einem vorher festgelegten Zeitpunkt in der Zukunft. Dabei handelt es sich um Wetten auf den Gaspreis in einem vertraglich fixierten Zeitraum (in der Regel drei Monate). Wenn erwartet wird, dass der Preis fällt, wird verkauft. Wenn erwartet wird, dass er steigt (wie vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs), kaufen die Händler ein und die Ware Gas wird im Börsenhandel automatisch teurer.

Energieunternehmen machen also enorme Gewinne. Die Preise für fossile Brennstoffe, die sie schon zu einem früheren Zeitpunkt zu viel niedrigeren Preisen eingekauft hatten, sind enorm angestiegen. Kurz gesagt: Der Kunde zahlt – und die Energiekonzerne verdienen viel Geld. ENEL erzielte im ersten Quartal 2022 einen Umsatzanstieg von 18 Milliarden (2021) auf 34 Milliarden Euro (Gewinn vor Steuern: 2,3 Milliarden). Im ersten Quartal 2022 verdoppelte Eni den Umsatz auf 32 Milliarden Euro (Ertrag: 5,2 Milliarden). Bei Edison wuchs der Ertrag in diesem Zeitraum von 2,1 Milliarden auf 7,1 Milliarden Euro.

Deshalb hat der Staat auf Zusatzgewinne im Zeitraum 1. Oktober 2021 bis 30. April 2022 (im Vergleich zum Vorjahreszeitraum) auf der Grundlage der IVA-Einzahlungen eine zusätzliche Steuer von 25 Prozent erhoben – und möchte damit elf Milliarden Euro einnehmen. Rekurse der Energieunternehmen gegen diese Maßnahme hat die Verwaltungsgerichtsbarkeit inzwischen zurückgewiesen. Die Regierung Meloni will die umstrittene Extraprofitti-Steuer – diesmal auf der Grundlage der bilanztechnisch ausgewiesenen Gewinne – jetzt auf 33 Prozent erhöhen.

Gaspreisdeckel: Die Pläne der EU-Kommission

Die EU-Kommission hat ein vorsichtig Positionspapier erstellt, indem ein Gaspreisdeckel ausformuliert werden soll. Dieser soll für den Großhandel mit fossilem Gas genutzt werden. Der Preis für elektrische Energie ist eng an den Gaspreis gekoppelt. Dadurch hätte ein derartiges Instrument automatisch Auswirkungen auf die Strompreise. Die Kommission spricht in diesem Zusammenhang von einem „Marktkorrektur-Mechanismus“. Dieser soll ausschließlich „vorübergehende“ und „unverhältnismäßige“ Preisbewegungen aufgrund von Spekulationen an der Amsterdamer Börse TTF (Title Transfer Facility) einschränken. Der TTF-Preis ist die wichtigste Gasnotierung für Europa; viele Lieferverträge sind daran gekoppelt. Der Preisdeckel soll EU-weit in Kraft treten, sobald zwei Bedingungen erfüllt sind. Der TTF-Preis für Terminkontrakte für die Lieferung im Folgemonat muss einen von der EU vorgegebenen Schwellenwert überschreiten und der Preisanstieg in Europa muss sich von der Preisentwicklung auf den Weltmärkten deutlich unterscheiden.

Am Dienstag schlug die Kommission einen Maximalpreis für Gas vor, mit dem man einen Monat im Voraus handelt. Der Deckel würde demnach greifen, wenn dieser Preis zwei Wochen lang 275 Euro pro Megawattstunde (MWh) übersteigt. Gleichzeitig muss er mindestens 58 Euro höher sein, als die Preise am Weltmarkt für Flüssiggas (LNG), wie EU-Energiekommissarin Kadri Simson mitteilte. Dieses Verfahren zur Preisabsenkung ist unter den Mitgliedsstaaten umstritten. So befürchten einige Staaten, dass ein Gaspreisdeckel die Nachfrage anheizen und Gasexporteure davon abhalten könnte, ihren Rohstoff in Europa zu künstlich niedriggehaltenen Preisen zu verkaufen. Auf der anderen Seite fordern 15 Mitgliedstaaten – darunter auch Italien – die rasche Einführung eines gesetzlichen Limits. Damit will man die hohen Preise wirksam senken. Sicher ist: Bei den aktuellen TTF-Gaspreisen (22.Oktober: 111,78 Euro/MWh, 28. August: 308,18 Euro), die viel niedriger sind als die Höchststände im Sommer, aktiviert man die Preisdeckelung nicht.