Kann man eine Weltklimakonferenz in einer Region veranstalten, die pro Jahr mehr als 180 Millionen Tonnen Erdöl fördert – auch wenn heute in den Vereinigten Arabischen Emiraten nur noch ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts mit der Produktion von fossilen Brennträgern erwirtschaftet wird? Offenbar schon. In Dubai – dem Eldorado eines hippen Wüstenkapitalismus – trafen sich am 30. November mehr als 80.000 Politikerinnen und Politiker, Aktivistinnen und Aktivisten sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft zur „COP28“. Die Abkürzung COP28 steht für die 28. Konferenz („Conference of the Parties“) der Vertragsstaaten des 1992 beschlossenen und 1994 in Kraft getretenen UN-Rahmenübereinkommens zum globalen Klimawandel. Zirka 200 Staaten haben diese Konvention unterzeichnet und treffen sich im Jahresrhythmus zu UN-Klimakonferenzen. Deren Entscheidungen sollen dazu beitragen, die globale Erwärmung zu verlangsamen und deren Folgen abzumildern. Allerdings müssen auf den „Weltklimagipfeln“ alle Beschlüsse einstimmig gefasst werden. Daher kann also jedes Mitglied Klimamaßnahmen blockieren.
Ein großer Wurf? Die am 13. Dezember – einen Tag nach dem offiziellen Ende der COP28 – verabschiedete 21-seitige Abschlusserklärung fordert in ihrem zentralen Abschnitt die Vertragsstaaten auf, sich für eine „gerechte, geordnete und ausgewogene Abkehr“ von fossilen Brennstoffen („transition away) einzusetzen. Damit ist das vom arabischen Golf ausgesandte Signal – trotz aller sprachlichen Unklarheiten und Schlupflöcher – eindeutig: Hinter dem „Dubai-Konsens“ wird sich kein Land bei der Planung und Durchführung von neuen Öl- und Gasvorhaben mehr verstecken können. „Diese Weltklimakonferenz markiert nach 30 Jahren Klimaaktivismus den Beginn vom Ende der Öl-, Gas- und Kohleindustrie – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Zwar hat die Weltgemeinschaft alle Länder nicht verpflichtet, jedoch beauftragt zu Handeln. Dies gilt nicht nur bei der Stromversorgung, sondern auch für Autos und bei Haushalten: weg von den Fossilen und hin zu Energien aus Sonne und Wind. Mit den Beschlüssen der Weltklimakonferenz könnte dies der Wendepunkt für die aktuell noch immer steigenden globalen CO2-Emissionen werden“, kommentiert der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, das COP28-Papier.
Überraschend war der große Show-down im Konferenzkrimi allemal: Schließlich war der Kongresspräsident und Ölunternehmer Sultan Ahmed Al Jaber nur 24 Stunden vor dem finalen Kompromiss noch der Sabotage von Klimazielen verdächtigt worden. So drängten europäische Staats- und Regierungschefs und viele der Länder, die am stärksten von klimabedingten Wetterextremen betroffen sind, auf eine Formulierung für einen vollständigen „Ausstieg“ („phase out“) aus den fossilen Brennstoffen. Dieser Vorschlag stieß wiederum auf den Widerstand großer Ölexporteure wie Saudi-Arabien und Irak sowie demographisch wachsender Länder wie Indien und Nigeria. Auch viele afrikanische Staaten lehnten eine pauschale Aufforderung zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen entschieden ab. So sei Afrika nur für einen Bruchteil der Treibhausemissionen verantwortlich. Der Kontinent müsse die beträchtlichen Öl- und Gasreserven nutzen, um seine Wirtschaft zu entwickeln.
Al Jabers erster Entwurf für eine„Global Stocktake“ hätte den Klimarettungsprozess wohl scheitern lassen. Dieses auf der Konferenz mehrheitlich verworfene Abschlusspapier blieb in wesentlichen Teilen hinter dem zurück, was zuvor viele Staaten verlangt hatten. Nicht einmal der massive Ausbau der erneuerbaren Energien wurde in dem Text als allgemeines Ziel ausgeben, obwohl das schon im Vorfeld der Konferenz als kaum mehr umstritten galt. Zudem sollte jedes Land autonom entscheiden dürfen, ob es freiwillig aus fossilen Energieträgern wie Kohle, Gas oder Öl aussteigt– was schon heute möglich ist. Das diese unverbindliche Floskeldiplomatie zu einem substanziellen Ergebnis mutierte, gleicht daher einem Wunder.
Zudem stellten die Delegationen im finalen Abschlussdokument fest, dass eine „deutliche, schnelle und nachhaltige“ Reduzierung der Emissionen notwendig sei. Dazu müsse die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2030 weltweit verdreifacht werden. Zudem soll die Energieeffizienz jährlich doppelt so schnell gesteigert werden als bisher. Der Entwurf fordert die Regierungen ebenfalls dazu auf, verstärkt auf alternative emissionsfreie oder emissionsarme Technologien zu setzen. Genannt werden dabei neben den Erneuerbaren auch die Atomkraft, Wasserstoff und Technologien zum Auffangen und Speichern von CO₂.
„Die Welt muss dieses Signal als das Ende der Epoche der fossilen Brennstoffe verstehen“, kommentierte die „New York Times“ das – rechtlich nicht bindende – Gipfelergebnis. Wie praktischer Klimaschutz funktionieren kann, demonstrierten die Gastgeber. Schon zwei Wochen vor dem Beginn der Konferenz schufen die Vereinigten Arabischen Emirate Fakten: Mitten in der Wüste eröffnete diese Staatengemeinschaft das weltweit größte Solarkraftwerk mit zwei Gigawatt Leistung auf einer Fläche von 20 Quadratkilometern. Wie geht es weiter? Vom 11. bis zum 22. November 2024 findet die COP29 in Aserbaidschan und damit ebenfalls in einem globalen Hotspot der Ölindustrie statt. Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein.