Auch bei sinkenden Einkaufspreisen kann die gasbefeuerte Stromerzeugung im Wettbewerb mit erneuerbaren Energieträgern nicht bestehen. Eine kürzlich präsentierte Studie von Rystad Energy zeigt, dass bei den aktuellen Gaspreisen der Betrieb von einem Gaskraftwerk in Europa langfristig zehnmal teurer wäre als der Bau neuer Solar-Kraftwerke. Rystad Energy ist das größte unabhängige Energieconsultingunternehmen in Norwegen und eines der weltweit führenden Analysten für die Öl- und Gasindustrie. Das Unternehmen untersuchte die Stromgestehungskosten für die Stromerzeugung aus Gas und Kohle bei unterschiedlichen Preisniveaus. Zudem verglich es diese mit den Gestehungskosten von Photovoltaik und Windkraft.
Die europäischen Gaspreise erreichten 2022 als Folge des Ukraine-Konflikts Rekordwerte. Die Spotpreise am niederländischen Gashub Title Transfer Facility (TTF) sind von 46 Euro pro Megawattstunde (MWh) im Jahr 2021 auf durchschnittlich 134 Euro pro MWh (Januar bis Oktober) gestiegen – ein Zuwachs von 187 Prozent (!). Im August erreichte der Preis sogar einen historischen Höchststand von 330 Euro pro MWh. Dies ließ die Kosten für die Stromerzeugung aus Gas auf fast 700 Euro pro MWh in die Höhe schnellen. Trotz des Preisanstiegs erhöhte sich die Stromerzeugung aus Gas in den ersten sieben Monaten des Jahres 2022 um vier Prozent. Dies ist vor allem auf den Rückgang der Stromerzeugung aus Wasserkraft und Kernkraft um 100 Terawattstunden (TWh) zurückzuführen.
2023 dürften die Wiederinbetriebnahme von Atommeilern in Frankreich, die 2022 für Wartungsarbeiten stillgelegt worden waren, verringern. Auch der geplante Ausbau der erneuerbaren Energien die hohe Nachfrage nach Erdgas allmählich soll dazu beitragen. Rystad Energy prognostiziert, dass sich die TTF-Preise bis 2030 bei 31 Euro pro MWh stabilisieren werden. Die Stromgestehungskosten der Gaskraftwerke würden dann auf 150 Euro pro MWh sinken. Zum Vergleich: Die Stromgestehungskosten von PV-Anlagen betragen heute nur 50 Euro pro MWh. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Gaskraftwerke sicher zu stellen, müssten die Gaspreise bis auf 17 Euro pro MWh fallen. Das ist kaum vorstellbar.
Im Basisszenario von Rystad Energy wird dennoch erwartet, dass die gasbefeuerte Stromerzeugung weiterhin eine wichtige Rolle im europäischen Strommix spielen wird. Kurzfristig ist diese Stromquelle unerlässlich, um die Nachfrage zu decken. Langfristig werden Gaskraftwerke benötigt, um die Schwankungen bei der Erzeugung erneuerbarer Energie auszugleichen. Die damit verbundene geringere Auslastung der Gaskraftwerke bedeutet, dass die Versorgungsunternehmen Förderungsgelder erhalten müssen, um Anreize für die Weiterführung ihrer Anlagen zu schaffen. In Anbetracht der hohen Kosten, die der Brennstoff Gas verursacht, sollten Energieversorger laut Rystad Energy Strategien überdenken und die Entwicklung sowohl von erneuerbaren Energien wie auch von Stromspeichern beschleunigen.