In der italienischen Energielandschaft nimmt Südtirol eine Ausnahmestellung ein. In Südtirol gibt es 48 Stromverteiler, in ganz Italien 131. In Südtirol werden jährlich 6,8 TWh Strom produziert. 6,6 TWh liefern erneuerbaren Energiequellen und 88 Prozent des „grünen“ Stroms erzeugen mehr als 1.000 Wasserkraftwerke. Südtirol verbraucht pro Jahr aber nur 3,2 TWh Strom. Dennoch sind die Strompreise auch in Südtirol an die rasant steigenden Börsenpreise für fossiles Gas gekoppelt. Man kann sich damit abfinden – oder man kann versuchen, dieses Marktdesign zu verändern. Der Südtiroler Energieverband SEV setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, die bestehenden autonomiepolitischen Spielräume auszuschöpfen und eine Energieautonomie aufzubauen, um aktiv auf die Ausgestaltung des lokalen Strommarkts einzuwirken. Die Landespolitik hat gesagt, dass sei nicht möglich. Der SEV hat selbst bei renommierten Rechtswissenschaftlern nachgefragt und inzwischen bewiesen, dass Südtirol in der Energiepolitik sehr wohl mehr Autonomie wagen kann. Im Frühjahr hat der SEV gemeinsam mit der Handelskammer Bozen ein umfangreiches Rechtsgutachten erstellen lassen, dessen Ergebnis eindeutig ist: Das Land kann nicht nur eine Regulierungsbehörde im Bereich Energie aufbauen, sondern es muss das sogar tun, wenn es seine im Autonomiestatut festgeschriebenen Zuständigkeiten nutzen will. Derzeit übernimmt diese Kompetenzen der Staat. Eine Energieautonomie schließt demnach Handlungsspielräume in der Preis- und Vertragsgestaltung ein, wie die Bildung einer eigenen Strombörse oder einer lokalen Preiszone. Wieder sagt die Politik, das sei nicht möglich. Wartet man auf bessere Zeiten? Das ist in dieser Notlage keine Option. Wind, Wasser und Sonne, sind, so die Mission des SEV, Gemeineigentum und kein privater Besitz. Die Menschen sollten daher – direkt und nicht nur indirekt – an dem großen Ressourcenreichtum in unserem Land teilhaben. Vielleicht ist die Krise eine Gelegenheit, um diesem Grundsatz – endlich – zu folgen.