Ist die Atomenergie eine Option im Kampf gegen den Klimawandel? Nachrichten aus Frankreich stellen diese – von der französischen Politik vertretene – These zumindest in Frage. So waren am 16. Mai 29 (!) der 56 aktiven französischen Atomreaktoren nicht im Betrieb. Damit war zu diesem Zeitpunkt mehr als die Hälfte des aktuellen Reaktorparks in Frankreich nicht verfügbar. Gründe dafür waren gleichzeitig vorgenommene Routineabschaltungen zur Wartung der Anlagen und notwendige Tests angesichts der Verlängerung der Betriebszeiten auf mehr als 40 Jahre. Dazu kommt das noch ungelöste Problem der Korrosion an den Rohrleitungen.
Schon nach dem Jahreswechsel war die Produktion in den Nuklearanlagen so niedrig wie seit 1999 nicht mehr. Im Januar erzeugten die französischen Kernkraftwerke nur 48 Gigawatt (GW) Strom – bei einer installierten Leistung von 61,4 GW. In den folgenden Monaten sanken die Produktionszahlen weiter. Seit Ende April stehen in Frankreich weniger als 30 GW Leistung zur Verfügung. „Normal“ sind im Monat Mai 40 bis 45 GW. Dieser „Abwärtstrend“‘ hat allerdings schon vor mehreren Jahren begonnen. Von 2000 bis 2015 war die Produktion des französischen Kraftwerksparks weitgehend stabil, mit einem Höhepunkt im Jahr 2005, als Kernkraftwerke 78 Prozent des in Frankreich erzeugten Stroms lieferten. 2020 stellte der vorwiegend aus den 1970er und 1980er Jahren stammende Kraftwerkspark dann „nur“ noch 67 Prozent der französischen Stromerzeugung bereit, 2019 waren es dann 72 Prozent.
Ein Grund für diese Unregelmäßigkeiten ist das hohe Alter der Anlagen. Bei einem nach der Katastrophe im Kernkraftwerk Fukushima 2011 in allen EU-Staaten durchgeführten Stresstest wurden bei allen französischen Atomkraftwerken größere Mängel und erheblicher Nachrüstbedarf festgestellt. Ein Detail: Damals waren alle aktiven französischen Atommeiler nicht ausreichend gegen Naturkatastrophen geschützt. Angesichts der Klimakrise setzt die französische Regierung dennoch auf eine „Renaissance“ der Kernenergie, mit der Errichtung neuer Kraftwerke und einer Laufzeitverlängerung des Kraftwerksbestands auf 50 Jahre.
Nur: Der Bau neuer Atomkraftwerke ist sehr teuer – und braucht viel Zeit. Von der Planung über den Baubeginn bis zur Inbetriebnahme vergehen mindestens zehn bis 15 und häufig noch viel mehr Jahre. So begannen die Bauarbeiten für das Kernkraftwerk Flamanville in der Normandie 2009. 2023 wird die Anlage nach dem heutigen Wissenstand keinen Strom liefern. Sicher ist: Ein Windpark mit „grünem“ Strom ist billiger – und viel schneller am Netz.