„Greenwashing“ im „großen Stil“? Mehrere EU-Mitgliedsstaaten haben die Europäische Kommission während einer außerordentlichen Sitzung des EU-Energierats aufgefordert, der Kernenergie im Rahmen der EU-Taxonomie für nachhaltige Finanzen, die als Leitfaden für klimafreundliche Investitionen dient, ein „grünes“ Label zu verleihen. Unter den Ländern, die sich für Atomstrom einsetzen, gibt es zudem eine kleinere Fraktion (Polen, Ungarn, Tschechische Republik, Rumänien, Bulgarien und die Slowakei), die sich – wie auch Deutschland – für fossiles Erdgas als Übergangsbrennstoff einsetzt. Erlebt die Kernenergie – im Rahmen der „Energiewende“ – eine Renaissance? Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron will in Zukunft nukleare Minikraftwerke bauen. Der Grund: Großanlagen zur Produktion von Atomstrom sind viel zu teuer und daher betriebswirtschaftlich ineffizient.
Dazu ein französisches Beispiel: 2005 beschloss die Electricité de France (EDF), das AKW in Flamanville an der Küste der Normandie durch einen Reaktor der neusten Technologie zu ersetzen. Der Nuklearkonzern AREVA, wie die EDF zu rund 85 Prozent in Staatsbesitz, sollte dort einen Druckwasserreaktor neuster Technologie bauen. AREVA bezeichnete diesen Evolutionary Power Reactor (EPR) als „Rolls Royce du nucléaire“. Ursprünglich ging EDF von Baukosten in Höhe von 3,2 Milliarden Euro aus. Die Inbetriebnahme war 2012 geplant. Inzwischen legt sich EDF nicht mehr auf eine Jahreszahl fest. Der französische Rechnungshof schätzt die Gesamtkosten für Bau und Finanzierung heute auf 19,1 Milliarden Euro.
Zudem ist das Problem der so genannten „Endlagerung“ radioaktiver Abfälle bis heute – auch für Mini-Reaktoren – noch nicht gelöst. So hatte die von Barak Obama geführte US-Regierung das Projekt eines geologischen Endlagers für US-Atommüll in Yucca Mountain schon 2012 aufgegeben. Noch heute, 70 Jahre nachdem die nukleare Verstromung in den USA erfunden worden ist, gibt es dort keine Lösung für die Entsorgung des Atommülls. Übrigens: Zwanzig Jahre nach der von George W. Bush 2001 eingeleiteten „nuklearen Renaissance“ ist in den USA noch kein einziger Reaktor der jüngsten Generation III+ in Betrieb genommen worden.
Stichwort Erdgas: Laut einer Studie des internationalen Wissenschaftsnetzwerks Energy Watch Group (EWG) trägt der Wechsel von Kohle zu Erdgas nicht zum Klimaschutz bei. Zwar stoßen Gaskraftwerke weniger CO₂ aus als Kohlekraftwerke. Aber die Treibhausemissionen bei der Nutzung von Erdgas können nur dann ermittelt werden, wenn man den gesamten Zyklus der Versorgungskette, von der Gasförderung über den Gastransport bis zum Gasverbrauch betrachtet. Laut einer EWG-Studie entweichen erhebliche Mengen des Methananteils bei der Förderung oder auf den Transportwegen und damit vor der eigentlichen Verbrennung. Auch das in Italien konsumierte Gas legt weite Wege zurück: 2019 stammten 46 Prozent aller italienischen Gasimporte aus Russland. 18,8 Prozent wurden in Algerien gefördert, 9,2 Prozent in Katar, 8,7 Prozent aus Norwegen und acht Prozent aus Libyen.
Die Folgen für das Klima sind extrem: Methan ist ein starkes Treibhausgas, dessen globales Erwärmungspotenzial in einem Zeithorizont von 100 Jahren 34-mal höher und in einem Zeitrahmen von 20 Jahren 86-mal höher ist als CO₂. Laut EWG sind Gaskraftwerke deshalb in vielen Fällen deutlich klimaschädlicher als mit Kohle befeuerte Anlagen. Zahlreiche Anbieter von „grünem Erdgas“ für Privathaushalte räumen die CO₂.- und Methangasemissionen dieses fossilen Brennstoffs inzwischen ein und versprechen, die produzierten Treibhausgase durch Investitionen in Umweltschutzprojekte zu kompensieren. Wäre es da – vor allem in Südtirol – nicht nachhaltiger, auf klimaneutrale Biomassefernwärme oder mit erneuerbarer Energie betriebene Wärmepumpen zu setzen? Mit Ötzi Strom verfügt ihr bereits über ein wesentliches Element, um eure eigene Energiewende – auch bei der Wärmeversorgung – zu gestalten.