PRAXISNAHE FORSCHUNG: DAS NEUE PHOTOVOLTAIK-LABOR DER EURAC

High-Tech in Südtirol: Im neuen Photovoltaik-Prototyping-Labor des Instituts für Erneuerbare Energie der Eurac können Unternehmen und Universitäten PV-Technologien prüfen und verwirklichen – vom technischen Entwurf bis zur Montage der Module, von Labor-Tests bis zu Testreihen unter freiem Himmel und damit unter realen Einsatzbedingungen. PV-Module bestehen aus einer ersten Glasschicht mit dem Verkapselungsmaterial, den mit Kupferstreifen miteinander verbundenen Solarzellen, einer weitere Ebene aus Verkapselungsmaterial und schließlich einer Rückwandfolie. Das Verkapselungsmaterial umschließt und hält die Solarzellen zusammen und schützt sie vor Feuchtigkeit, Staub und UV-Strahlung. Diese Komponenten werden in einen „Ofen” geschoben. Das neue Eurac-Labor verfügt über ein Laminiergerät, das die Komponenten erhitzt, presst und so zusammenfügt, dass am Ende ein fertiges Modul entsteht. Dort misst ein Dynamischer Differenzkalorimeter die thermischen Eigenschaften der verwendeten Materialien, die bei der richtigen Temperatur und in einer korrekt bemessenen Zeit „gebacken“ werden müssen, um später effizient arbeiten zu können.

Das Spektralphotometer misst deren optische Eigenschaften, um herauszufinden wie viel Licht durch die Glasschicht des Moduls dringt und die Photovoltaikzellen erreicht. Sobald die Module aus dem „Ofen“ kommen, testen die Forscher und Forscherinnen des Instituts für Erneuerbare Energie Funktionalität und Zuverlässigkeit. Der Strom- und Spannungstester, der durch einen Sonnensimulator ergänzt wird, misst die Effizienz, mit der das Modul Sonnenlicht in Strom umwandelt und in der Klimakammer werden die Module extremen Temperaturen sowie unterschiedlichen Feuchtigkeitsstufen ausgesetzt. Auf diese Weise wird die Widerstandsfähigkeit der Photovoltaikmodule gegenüber den Umweltbedingungen, denen sie an ihren Standorten ausgesetzt sein könnten, geprüft. Der letzte Schritt der im Photovoltaik-Prototyping-Labor durchgeführten Tests besteht darin, die fertige Photovoltaik-Module auf dem Freigelände des Instituts für Erneuerbare Energie in einer realen PV-Anlage zu prüfen.

Je nach Standort und Einsatzbereich müssen PV-Prototypen eine Reihe von Anforderungen erfüllen, die in der Eurac getestet werden. So dürfen Module in der Agri-Photovoltaik die Sonneneinstrahlung nicht ganz abschirmen und das Wachstum der Pflanzen nicht beeinträchtigen und um das ästhetische Erscheinungsbild von Gebäuden zu erhalten, werden Module benötigt, die weitgehend „unsichtbar” auf Fassaden oder Dächer montiert werden. Durch Tests mit verschiedenfarbigen Gläsern und unterschiedlichen Polymerplatten ist es möglich, Technologien zu entwickeln, die auch diesem besonderem Bedarf gerecht werden.

EU-WAHL: WACKELT DER GREEN DEAL?

Europa hat gewählt – und in der europäischen Energie- und Klimapolitik deutet sich schon jetzt eine Neuorientierung an. Was geschieht mit dem Green Deal? Kommt es zu einem „weiter so” oder gar zu einer „Rolle rückwärts”? Schon heute wird das Reformtempo rhetorisch ausgebremst: Europas Wirtschaftsverbände fordern inzwischen einen neuen Industriedeal, die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni will „ideologische Normen” abändern oder ganz streichen und die Europarlamentarier des französischen Rassemblement National wollen das umfangreiche Vertragswerk ganz abschaffen oder einzelne Maßnahmen wie das bereits beschlossene Verkaufsverbot für Autos mit Verbrennermotoren ab 2035 kippen. Auf ihrem Gipfeltreffen am 27. Juni plädierten die Staats- und Regierungschefs der EU für einen vorsichtigeren „pragmatischen” Übergang zur Klimaneutralität.

Auch wenn die Erfinderin des Green Deal, die Christdemokratin Ursula von der Leyen, jetzt für eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin nomminiert wurde und sich Mitte Juli im europäischen Parlament zur Wahl stellen wird, dürfte sich die praktische Umsetzung der vielen Green-Deal-Vorgaben in den kommnenden fünf Jahren wohl spürbar verlangsamen. Ein Grund für diesen politischen Stimmungsumschwung ist sicher der Krieg in der Ukraine. Als der Green Deal 2019 – also vor dem russischen Überfall auf das Nachbarland – beschlossen wurde, war der Klimawandel das wichtigste politische Thema in Europa. Heute sind es die militärische Verteidigungsfähigkeit, die Absicherung des eigenen Wohlstands und die Angst vor einer Ausweitung des Konflikts.

Der aus vielen europäischen Richtlinien und nationalen Gesetzen bestehende Green Deal will Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Zu den bereits umgesetzen Maßnahmen gehören die Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energie, der Handel mit CO2-Zertifikaten, um Kohle und Gas künstlich zu verteuern, neue Energiesysteme in Gebäuden, die Möglichkeit, Energiegemeinschaften zu gründen, die Förderung der E-Mobilität, eine nachhaltige Landwirtschaft und der Schutz der Ökosysteme. Ein gigantisches Vorhaben: Eine  Billion Euro will die EU in ihren Mitgliedsstaaten bis 2030 in grüne Technologien investieren. Landet der Green Deal jetzt auf dem Müllhaufen der Geschichte? Übrigens ist der Müll oder die Menge der Abfälle, die wir täglich wegwerfen, eines der wichtigsten Probleme, die der Green Deal lösen will. Denn aus Europas Mülldeponien entweichen heute große Mengen des Treibhausgases Methan, das aus Biomüll entsteht, der unter der Erde verottet. Deshalb setzt der Green Deal auf die Mülltrennung und das Recycling von Wertstoffen. 60 Prozent des europäischen Hausmülls landen immer noch auf der Deponie. Bis 2030 will die EU diese Zahl halbieren und die Methan-Emissionen um 30 Prozent senken – auch durch den Umbau der Landwirtschaft mit dem Brachlegen von Böden, der Renaturierung von Moorlandschaften  und der Einschränkung chemischer Düngemittel.

Dennoch sind die Widerstände groß. Hat die EU-Bürokratie in diesem Bereich – bei allen guten Absichten – den Dialog mit den Menschen vergessen? Während die USA und China in der Klima- und Energiepolitik auf wirtschaftliche Anreize setzen, konzentriert sich die EU auf Verbote und komplexe Vorschriften. Und das kommt bei den Betroffenen gar nicht gut an: So protestieren Europas Bauern, Autofahrer und Hausbesitzer inzwischen gegen den aus Büssel verordneten Wandel – und stützen im neuen EU-Parlament damit jene Parteien, die den Green Deal am liebsten ganz entsorgen möchten.

EIN RIESIGES POTENTIAL: SCHWIMMENDE PHOTOVOLTAIK ANLAGEN IN NORDAFRIKA

Als „schwimmende Photovoltaik“ werden Photovoltaik-Kraftwerke auf Gewässern bezeichnet, deren Module auf Schwimmkörpern montiert sind. Verankert sind die Anlagen am Ufer oder am Gewässergrund. Aufgrund der natürlichen Modulkühlung durch das Wasser arbeiten diese „Floating Photovoltaics“ deutlich effizienter als konventionelle Freiflächenanlagen. Ein weiterer Vorteil: Schwimmende Photovoltaik-Anlagen verringern die Verdunstung auf der von ihnen bedeckten Wasserfläche – und zwar ganz besonders in den heißen Wüstenregionen auf der Südhalbkugel. Ein internationales Forschungsteam hat diese Aussagen in einer neuen Studie bestätigt.

Als Fallbeispiele dienten dabei der Nasser-See in Ägypten und der Nubia-See im Sudan, die in den 1960er Jahren durch den Bau des Assuan-Staudamms entlang des Nils in beiden Staaten entstanden sind (Evaporation reduction and energy generation potential using floating photovoltaic power plants on the Aswan High Dam Reservoir). Es handelt sich dabei um eine 6.000 Quadratkilometer große Wasserfläche mit 169 Milliarden Kubikmetern Wasser. Die Forschungsergebnisse unterstreichen das enormene Potential der Photovoltaik-Technologie auf diesen beiden künstlichen Seen. Die Forscherinnen und Forscher haben die Auswirkungen schwimmender Photovoltaik-Kraftwerke unterschiedlicher Größen für die Jahre 2005 bis 2016 berechnet. Wenn man in diesem Zeitraum auf zehn Prozent der Wasserfläche schwimmende Photovoltaik-Module installiert hätte, wäre der Wasserverlust durch die Verdunstung um 7,2 Milliarden Kubimeter gesunken, bei ener 90prozentigen Abdeckung der Seen steigt diese Zahl auf 70,4 Milliarden Kubikmeter.

Erstaunlich sind auch die Berechnungen der Stromproduktion: Mit einem Solarkraftwerk, das nur zehn Prozent der gigantischen Wasserfläche nutzt, könnte Ägypten 95 Prozent seines eigenen Bedarfs an elektrischer Energie erzeugen. Würde das Solarkraftwerk auf 50 Prozent der Fläche der Seen errichtet, könnte die Stromproduktion sogar den Bedarf des gesamten afrikanischen Kontinents (715 Terawattstunden) abdecken.

MIT GUTEM BEISPIEL VORAN: DIE BIOENERGIA FIEMME AG

Die Bioenergia Fiemme AG wurde 1999 – in einem Jahrzehnt also, in dem auch viele Südtiroler Biomassefernheizwerke in Betrieb gingen – in Cavalese im Fleimstal gegründet, um dort Haushalte und Unternehmen mit den Hackschnitzeln aus der lokalen Forst- und Holzwirtschaft zu beheizen. Der Ausgangspunkt für diese Kreislaufwirtschaft sind die zirka 60 Millionen Fichten im Fleimstal.

2022 versorgte Bioenergia Fiemme über ein 30 Kilometer langes Leitungsnetz 704 Anschlusspunkte mit „grüner” Wärme, die heute in drei mit Biomasse befeuerten Heizkesseln erzeugt wird. Eine ORC-Anlage erzeugt aus Wärme elektrische Energie und eine Kraft-Wärme-Koppelung liefert den im Betrieb verbrauchten Strom. Für Notfälle stehen in dem 2016 errichteten architektonisch anspruchsvollen Fernheizwerk mit Erdgas versorgte Heizkessel zur Verfügung. 24 Prozent der Aktionäre sind Bürgerinnen und Bürger aus Cavalese, die häufig selbst an das lokale Fernwärmenetz angeschlossen sind.

Mehr als „nur” Fernwärme: Auffällig ist, das Bioenergia Fiemme die eigene Geschäftstätigkeit immer weiter diversisifiziert hat: So wird der Dampf in den Heizkesseln genutzt, um aus Fichtenholz ätherische Öle zu extrahieren, die das Tochterunternehmen Magnifica Essenza GmbH seit 2019 vermarktet. Mit dem Sägemehl, das nicht verbrannt werden kann, erzeugt Bioenergia Fiemme seit 2016 Holzpellets. 2010 wurde das Tochterunternehmen BioEnergia Fiemme gegründet, das heute 60.000 Tonnen Bioabfälle aus Südtirol und dem Trentino zu wertvollem Kompost verarbeitet und neben elektrischer Energie auch Biomethan produziert.

ÖTZI WIKI: WAS IST EIGENTLICH GREENWASHING?

Wörtlich übersetzt bedeutet Greenwashing „grünwaschen“. Die Farbe Grün steht dabei symbolisch für die Natur und den Umweltschutz. Mit Waschen ist in diesem Zusammenhang allerdings „sich von etwas reinwaschen“ gemeint. Anders gesagt: Zahlreiche Unternehmen oder Organisationen stellen Herstellungsprozesse, Dienstleistungen, Arbeitsbedingungen Transportwege und – vor allem – ihre Produkte in der Werbung umweltfreundlicher und nachhaltiger dar, als sie es tatsächlich sind. Dahinter steckt meistens eine Marketingstrategie, die gezielt falsche Informationen einsetzt, um sich selbst ein „grünes” Image zu verleihen.

Ein Beispiel: Ölpalmen gelten als die ertragreichsten Pflanzen zur Ölgewinnung und werden daher in unzähligen Lebensmitteln, Kosmetika oder auch in Diesel-Kraftstoffen eingesetzt. Die extreme Nachfrage gefährdet jedoch den Regenwald, da dieser für riesige Palmölplantagen, abgeholzt wird. Dennoch existieren immer noch Umwelt”-Siegel, die auf Verpackungen für nachhaltiges” Palmöl werben. Das ist allerdings in der landwirtschaftlichen Praxis kaum möglich: Durch die Monokultur der Ölpalmen werden die Böden in wenigen Jahren ausgelaugt – und um die Produktion weiterzuführen, muss immer neuer Regenwald abgeholzt werden.

Irreführende Naturbilder, unpräzise Begriffe wie „natürlich” oder „umweltfreundlich” und bedeutungslose Zertifizierungen gibt es in nahezu allen Branchen – wenn etwa ein Autokonzern behauptet, Dieselkraftstoff schone die Umwelt, ein Modekonzern eine (sehr kleine) “umweltfreundlich” produzierte Kollektion bewirbt und in seinem (sehr großen) Kerngeschäft weiterhin Polyester verarbeitet oder ein Mineralökonzern sein Engagement bei der Reduzierung des eigenen CO2-Ausstoßes medienwirksam unterstreicht und gleichzeitig  Ölförderungsprojekte in sensiblen Regionen wie der Arktis betreibt. Ein weiteres Beispiel ist die CO2-Kompensation: Unternehmen können ihren CO2-Ausstoß mit dem Erwerb von  „Emissionsgutschriften” ausgleichen, mit denen Klimaprojekte im Ausland finanziert werden. Deutsche Medien haben einige dieser vor allem von der Mineralölwirtschaft unterstützten Projekte in China untersucht. Ein Ergebnis dieser Recherchen: Bei einem mit 80 Millionen Euro geförderten „Klimaprojekt” handelte es sich offenbar um einen verlassenen Hühnerstall. Wie kann man sich gegen Greenwashing schützen? Die Antwort ist einfach: Mit Informationen und kritischem Denken. Seid misstrauisch, hinterfragt Unternehmensaussagen, recherchiert auf den Webseiten von Verbraucherschutz- und Umweltorganisationen und achtet auf allgemein verlässliche Zertifizierungen wie Fairtrade oder FSC (Forest Stewardship Council).