Textilindustrie: Kreislaufwirtschaft statt „FAST-FASHION“

Am 1. Juni 2023 stimmten die Abgeordneten des Europäischen Parlaments mehrheitlich Vorschlägen für strengere EU-Maßnahmen zur Eindämmung der übermäßigen Produktion von Fast-fashion-Textilien zu.

In dem Beschluss des Parlaments wird gefordert, dass die Menschen-, Sozial- und Arbeitsrechte sowie der Umwelt- und Tierschutz bei der Produktion von Kleidung in der gesamten Lieferkette beachtet werden müssen. „Die Europäische Union muss die Hersteller und großen Modeunternehmen gesetzlich verpflichten, nachhaltiger zu arbeiten. Die Menschen und der Planet sind wichtiger als die Gewinne der Textilindustrie“, erklärte Delara Burkhardt. Sie ist Berichterstatterin über die EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien. Und: „Die Verbraucher allein können den globalen Textilsektor nicht durch ihre Kaufgewohnheiten reformieren. Wenn wir dem Markt erlauben, sich selbst zu regulieren, öffnen wir die Tür für ein Fast-Fashion-Modell, das die Menschen und die Ressourcen des Planeten ausbeutet“. Daher müsse die EU Textil-Hersteller und Textil-Verkäufer gesetzlich verpflichten, nachhaltiger zu arbeiten.

Im Rahmen des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft stellte die EU-Kommission schon im März 2022 eine neue Strategie vor. Damit sollen Textilien haltbarer, reparierbarer, wieder verwendbar und recycelbar werden. Auch will man gegen „Fast Fashion“ vorgehen und Innovationen fördern. Die neue Strategie umfasst neue Ökodesign – Anforderungen für Textilien und verständlichere Informationen. Zudem wird ein digitaler Produktpass gefordert. Die Unternehmen werden klar aufgefordert Verantwortung zu übernehmen und eigenständig Maßnahmen zu ergreifen, um den ökologischen Fußabdruck zu minimieren.

Für diese Maßnahmen gibt es viele Gründe. Schätzungen zufolge wurden in der weltweiten Textil- und Bekleidungsindustrie 2015 zirka 79 Milliarden Kubikmeter Wasser verbraucht. Im Gegensatz hat die gesamte Wirtschaft der EU im Jahr 2017 266 Milliarden Kubikmeter Wasser verbraucht. Es benötigt schätzungsweise 2.700 Liter Süßwasser für die Herstellung eines einzigen Baumwoll-T-Shirts. Dies ist soviel wie die Menge, die eine Person in 2,5 Jahren trinkt. Der Textilsektor war im Jahr 2020 die drittgrößte Ursache für Wasserverschmutzung und Flächenverbrauch.

Ebenfalls 2020 wurden im Durchschnitt neun Kubikmeter Wasser, 400 Quadratmeter Land und 391 Kilogramm Rohstoffe benötigt, um Kleidung und Schuhe für jeden EU-Bürger herzustellen. Das Wasser wird durch die Färbung und Veredelung von Textilien im Rahmen der Herstellung verschmutz. Zirka 20 Prozent der weltweiten Wasserverschmutzung kommt aus der Textilherstellung. Etwa 35 Prozent des primären Mikroplastiks, das in die Umwelt gelangt, hat seinen Ursprung im Waschen von synthetischen Textilien. Bei einer einzigen Wäsche von Polyesterkleidung können 700.000 Mikroplastikfasern freigesetzt werden, die dann in die Nahrungskette gelangen können. Das Waschen synthetischer Produkte hat dazu geführt, dass sich bereits mehr als 14 Millionen Tonnen Mikroplastik auf dem Grund der Ozeane angesammelt haben.

Klimakonferenz COP28: der Bock als Gärtner?

Wird die nächste weltweite Klimakonferenz vom Chef eines mächtigen Ölkonzerns geleitet?

Was auf den ersten Blick wie ein schlechter Witz klingt, könnte wirklich stattfinden. Sultan Ahmed al-Dschaber, ist der designierte Präsident der COP28 im kommenden November. Er ist aber auch Industrieminister des Gastgeberlandes Vereinigte Arabische Emirate (VAE) und zugleich Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc. „Wir fordern Sie dringend auf, sich dafür einzusetzen, dass die Vereinigten Arabischen Emirate auf die Nominierung von Sultan al-Jaber verzichten“, war die Forderung. Diese kam von über 130 Abgeordnete des amerikanischen Kongresses und des Europäischen Parlaments in einem Protestbrief. Damit brachten sie ihre „tiefe Besorgnis“ zum Ausdruck. Das Schreiben war am 23. Mai an US-Präsident Joe Biden, an die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen und an UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Auch erhielt Simon Stiell, der Exekutivsekretär für Klimaschutz der Vereinten Nationen, dieses Schreiben.

In dem Brief fordern die Abgeordneten zudem, „den Einfluss umweltverschmutzender Industrien“ auf die Klimakonferenz einzuschränken. Beim jüngsten Klimagipfel in Ägypten warben nach Angaben von Umweltschützern mehr als 600 Lobbyisten für die fossilen Energieträger Öl, Gas und Kohle.

Die Vereinigten Arabischen Emirate gehören zu den zehn größten Ölproduzenten der Welt und wollen trotz Klimakrise ihre klimaschädliche Öl-und Gas-Produktion noch weiter ausbauen. Allein im zweiten Halbjahr 2022 nahm Adnoc acht neue Bohrinseln in Betrieb. Am 7. Juni enthüllte die britische Tageszeitung „The Guardian“, dass Adnoc den E-Mail-Verkehr des Büros des Cop28-Klimagipfels mitlesen konnte. Das Cop28-Büro hatte zuvor behauptet, sein E-Mail-System sei „eigenständig“. Eine technische Analyse ergab jedoch, dass die COP28-Verwaltung E-Mail-Server mit Adnoc gemeinsam nutzte. Als Reaktion auf die Recherchen des „Guardian“ wechselte das Cop28-Büro inzwischen auf einen anderen Server.

Die französische EU-Abgeordnete Manon Aubry erklärte dazu: „Das ist ein Skandal. Ein Öl- und Gasunternehmen ist in das Zentrum der Organisation vorgedrungen, die für die Koordinierung des Ausstiegs aus Öl und Gas zuständig ist. Das ist so, als ob ein großer Tabakkonzern die Kommunikation der Weltgesundheitsorganisation beaufsichtigen würde.“

Innovation: schwimmende Photovoltaik-Kraftwerke

Der Sektor der erneuerbaren Energien in Italien boomt mit Photovoltaik.

Trotz der schwierigen ökonomischen Rahmenbedingungen planten italienische Energiebetriebe 2022 Investitionen in der Höhe von 41 Milliarden Euro für neue „grüne“ Produktionsanlagen mit einer Gesamtleistung von 38,9 Gigawatt (GW). Die Anzahl der Investitionsprojekte hat sich damit im Vergleich zu 2021 mehr als verdoppelt. Dies geht aus dem  Jahresbericht 2023 des Energie-Think Tanks Irex hervor.

Absoluter Spitzenreiter ist 2022 die Agrofotovoltaik, die mit 390 Projekten und einem Investitionsumfang von 12 Milliarden Euro einen Anteil von 41 Prozent (!) an allen Investitionsvorhaben im Bereich der erneuerbaren Energien erreicht. Auf dem zweiten Platz liegen Photovoltaik-Kraftwerke auf Dächern und nicht von der Landwirtschaft genutzten Fächen mit 35,1 Prozent aller 2022 geplanten Investitionen. Es folgen die Onshore-Windkraft (19,4 Prozent), die Biomasse (1,5 Prozent), Energie-Speichersysteme (ein Prozent), die Wasserkraft (ein Prozent) und die Geothermie (0,5 Prozent). Der Senat hat jetzt einen wichtigen Schritt gesetzt, um eine weitere Variante der PV-Technik zu fördern.

So erleichterte man das Genehmigungsverfahren für den Bau schwimmender PV-Anlagen im so genannten „Decreto Siccità“. Im Einzelnen betrifft diese Maßnahme PV-Anlagen, die auf Stauseen, Tagebauseen, natürlichen Seen oder über Bewässerungskanälen installiert sind.

Als „schwimmende Photovoltaik“ werden Photovoltaik-Kraftwerke auf Gewässern bezeichnet, deren Module auf Schwimmkörpern montiert sind. Verankert ist die Anlage dabei am Ufer oder am Gewässergrund. Aufgrund der natürlichen Modulkühlung durch das Wasser arbeiten die „Floating Photovoltaics“ deutlich effizienter als konventionelle Freiflächenanlagen. Die größte dieser innovativen Anlagen in Europa befindet sich in den Niederlanden mit einer installierten Leistung von 27,4 Megawatt Peak (MWp). Dieses Kraftwerk kann 4.000 Haushalte mit Strom versorgen. Die Technologie auch auf dem offenen Meer oder an den Küsten eingesetzt werden.

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit ist die Integration auf Abdeckfolien von landwirtschaftlichen Wasserspeichern oder Fischfarmen. In Zypern wurde 2018 die weltweit erste schwimmende Solarfolie auf einem 6.500 Quadratmeter großen und 4,50 Meter tiefen Wasserreservoir installiert. Dieses Solarkraftwerk reduziert die Wasserverdunstung und erzeugt gleichzeitig den Strom für die Pumpanlagen und das Potential ist groß. In einer Studie der World Bank Group wurde allein für Europa ein Potenzial von 20 GW Peak ermittelt. Dies bei nur ein Prozentiger Nutzung der Fläche künstlicher Süßwasserreservoirs als PV-Standort.

Die gute Nachricht: das Wachstum der erneuerbaren Energien

Die internationale Energieagentur IEA geht in ihrem Renewable Energy Market Update 2023 davon aus, dass der weltweite Zubau von Strom aus erneuerbaren Energien in diesem Jahr um ein Drittel (!) ansteigen wird. Für das Jahr 2024 prognostiziert die Studie einen Anstieg der Gesamtkapazität der erneuerbaren Energien weltweit auf 4.500 Gigawatt. Dies entspricht der gesamten Stromerzeugung Chinas und der USA zusammen. Dabei wird China laut der IEA-Prognose seine Führungsposition halten. 2023 und 2024 wollen sie fast 55 Prozent des weltweiten Zubaus an erneuerbarer Energiekapazität im eigenen Land realisieren.

Ganz vorne liegt – wie auch in Südtirol und im restlichen Italien – die Photovoltaik. Laut Renewable Energy Market Update 2023 wird der Zubau von PV-Anlagen zwei Drittel des diesjährigen Anstiegs der Stromerzeugungskapazität aus erneuerbaren Energien ausmachen. Bis 2024 soll die Zahl weiter wachsen. Der Ausbau von PV-Großanlagen wird von einem Wachstum kleinerer Systeme begleitet. Höhere Strompreise fördern ein schnelleres Wachstum von PV-Dachanlagen, die es Haushalten und Unternehmen ermöglichen, ihre Energierechnungen zu senken. Gleichzeitig erwartet man sich, dass sich die Herstellungskapazität für alle PV-Produktionssegmente bis 2024 mehr als verdoppeln wird. Allen Voran steht China, dann eine zunehmende Diversifizierung des Angebots in den Vereinigten Staaten, Indien und Europa.

Ausgehend von diesen Trends wird die Welt im Jahr 2030 über genügend PV-Produktionskapazitäten verfügen, um die im IEA-Szenario „Netto-Null-Emissionen bis 2050“ vorgesehene jährliche Nachfrage zu decken. Die Prognose für das Wachstum der erneuerbarer Energien in Europa wurde gegenüber der Zeit vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine um 40 Prozent nach oben korrigiert. Durch die neu installierte PV- und Windkraftkapazität hat man in der EU im Zeitraum 2021-2023 schätzungsweise 100 Milliarden Euro gespart. Dem IEA-Bericht zufolge wären die Großhandelspreise für Strom in Europa im Jahr 2022 ohne die zusätzlichen Kapazitäten für erneuerbare Energien um acht Prozent (!) höher gewesen.

Die Internationale Energieagentur IEA wurde 1974 als unabhängige Einrichtung innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gegründet. Ursprünglich sollte die IEA – als Reaktion auf die erste Ölkrise – eine störungsfreie Ölversorgung gewährleisten. Heute ist die IEA in nahezu allen Energiepolitikbereichen aktiv. Dabei liegt der Fokus zunehmend auf der Erreichung einer Treibhausgasneutralität bis 2050.

Mit gutem Beispiel voran: Das E-Werk Prad

In Prad am Stilfserjoch beginnt die „Energiewende“ schon 1923. Fünf Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nehmen sechs Bürger in Prad am Stilfserjoch die Versorgung ihres Dorfes mit Energie in die eigene Hand. Dazu bauen sie für 375.000 Lire – dem damaligen Preis für 300 Kühe – am Tschirnbach ein Wasserkraftwerk. Dieses erzeugte 1925 den ersten Strom.

Aus dem privaten Unternehmen wird 1926 eine Genossenschaft mit damals 47 Mitgliedern. Seitdem ist die Energie-Werk-Prad Genossenschaft (EWP, 1.490 Mitglieder) bemüht, die eigene Gemeinde mit eigenständig erzeugter erneuerbarer Energie zu fairen Preisen zu versorgen. Heute wird der Strom in Prad vorwiegend in vier eigenen Wasserkraftwerken, einer PV-Anlage und mit vier Kraftwärmekoppelungsmodulen erzeugt. Über das eigene Leitungsnetz gelangt die genossenschaftliche elektrische Energie zu 2.145 Stromanschlüssen. Zwei von der E-Werk-Genossenschaft geführte Heizwerke beliefern über ein 28 Kilometer langes Leitungsnetz 595 Übergabestationen mit nachhaltiger Wärme.

Von 1980 bis zu seinem Tod im Jahr 2018 leitet der legendäre Obmann Georg Wunderer die E-Werk-Genossenschaft. Er macht aus diesem lokalen Non-Profit-Betrieb einen effizienten und innovativen Energieversorger. Diesen beachten Italien und Europa und gilt auch international als „Musterbetrieb“. Ein Beispiel: 2013 legt die Umweltorganisation Legambiente ihren 8. Bericht über die Nutzung erneuerbarer Energieträger in italienischen Gemeinden vor. Dabei zeichnet sie – wieder einmal – die Arbeit des kleinen E-Werks in der Südtiroler Peripherie als „beispielhaft“ aus. Georg Wunderers energiepolitische Position lässt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen:

Energie gehört zur Grundversorgung für alle und muss daher den Menschen dienen und nicht der Kapitalvermehrung. Diese Haltung erklärt, warum sich Georg Wunderer in Südtirol mit Beharrlichkeit, Besonnenheit und großem Optimismus für eine periphere Energiewirtschaft eingesetzt hat. Hier sind nicht landesfremde Unternehmen oder fremde Landesunternehmen die einzigen Entscheidungsträger, sondern die Verbraucherinnen und Verbraucher selbst.

Im Frühjahr 2020 wird das E-Werk in Prad zu einem wichtigen Innovationsstandort. Die vom Staatsbetrieb GSE (Gestore servizi energetici) kontrollierte Forschungseinrichtung RSE (Ricerca sul Sistema Energetico) untersucht vor Ort, ob die E-Werk-Genossenschaft in Prad ihre Mitglieder als „Energieinsel“ oder Energiegemeinschaft autonom mit Strom zu versorgen kann. Dabei stehen technische Innovationen wie digitale Steuerungssysteme und effizienten Energiespeicher ebenso auf dem Prüfstand wie eine Kosten-Nutzen-Analyse und die administrativ-rechtlichen Voraussetzungen. Die Ergebnisse dieser Projektstudie werden später zu einer wichtigen Grundlage für die Regelung von Energiegemeinschaften in Italien.